Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
Calvas mehr zu hassen als alles andere in ihrem Leben, mehr sogar noch als sich selbst, die ängstliche Grawlfrau. Sie vermochte nicht zu sagen, ob es die Wut auf den Hexer oder die Angst gewesen war, fortan ganz allein zu sein, die sie dazu bewogen hatte, sich kurz darauf dem Menschenjungen zu unterwerfen.
Er hatte sich Haffta als das Flammenschwert zu erkennen gegeben, der Bezwinger des Grimmwolfs. In den Erzählungen der Grawls, die At Arthanoc überlebt hatten, war dieser Krieger zu einem Schlächter von epischer Größe angewachsen. Daher hatte sie nach einem anfänglichen Erschrecken ihren Ohren nicht trauen wollen, denn dieser Knabe mit der runenverzierten Klinge schien alles andere als ein brutales Ungeheuer zu sein. Tatsächlich hatte er sich als das genaue Gegenteil herausgestellt: Er war jung, unsicher und unerfahren. Wahrscheinlich hätte sogar sie ihn im Zweikampf besiegen können, wenn sie es darauf angelegt hätte. Es hatte eine Weile gedauert, bis ihr aufgegangen war, was Tarean wirklich auszeichnete. Es waren weder außergewöhnliches Kampfgeschick, noch ein scharfer Verstand oder besondere Führungskraft. Sein gutes Herz und sein unbedingter Wille, etwas in der Welt zum Besseren zu wenden, machen ihn zu etwas Besonderem und sorgen dafür, dass nicht nur seine Freunde ihm folgen, sondern dass auch höhere Mächte über ihn wachen.
Als sie das erkannt hatte, war für Haffta aus dem Zweckbündnis, das sie mit den Angehörigen der Völker der westlichen Reiche geschlossen hatte, eine Freundschaft geworden. Tarean, Auril, Bromm, Iegi und sogar das seltsame Irrlicht Moosbeere hatten die Sippe ersetzt, die vor den Augen der Grawlfrau gestorben war. Sie hatte sich geschworen, alles dafür zu tun, damit diese neue Familie nicht das gleiche Schicksal ereilte wie ihre alte.
Nun hatte dieser Schwur sie erneut in den Krieg geführt, schlimmer noch, er hatte sie von all ihren alten Gefährten getrennt. Natürlich war sie von Setten, Alben und einem Steinernen umgeben, die ungeachtet der Tatsache, dass die Grawlfrau noch vor wenigen Monden ihr Feind gewesen war, alle auf ihrer Seite standen. Trotzdem fühlte sich Haffta umgeben von Horden vermittels dunkler Magie zu grausigem Scheinleben erweckter Feinde allein. Und obwohl sie dagegen ankämpfte, hatte sie furchtbare Angst.
Du machst dir zu viele Gedanken , schalt sie eine innere Stimme. Jeder hier fürchtet sich, und ihr alle habt guten Grund dazu.
Haffta warf einen Blick auf den riesenhaften Glutlanddrachen, der kaum zweihundert Schritt vor ihnen die verzweifelte Mannschaft eines abgestürzten nondurischen Artillerieschiffes mit tosenden Flammenstrahlen beharkte, während ihre Gruppe tolldreister Kämpfer, darunter Halfbadur, Janosthin und Tâch’thurt, direkt auf das Ungeheuer zustürmte. Widerwillig musste sich die Grawlfrau eingestehen, dass ihre innere Stimme womöglich recht hatte.
Sie hatten auf dem Feldherrenhügel bei General Jaular, Hochkönig Jeorhel und anderen hohen Herren gestanden, als der Drache das Schiff vor ihren Augen vom Himmel holte. Sofort hatte sich der settische Kristalldrachenritter bereit erklärt, die Männer zu retten. Janosthin und Tâch’thurt waren ebenfalls vorgetreten. In diesem Augenblick war Haffta klar geworden, dass ihre große Stunde bevorstand, denn schließlich trug sie den Drachenstab aus Tiefgestein. Auch wenn seine Wirkung auf Glutlanddrachen begrenzt sein mochte, wie sie aus eigener Erfahrung wusste, war er nichtsdestoweniger ihre beste Waffe im Kampf gegen die kohleschwarzen Schrecken.
»Haffta!«, brüllte Halfbadur ihr in diesem Moment über den Kampfeslärm hinweg zu. »Setz den Stab ein, um die Bestie abzulenken. Der Rest von uns kümmert sich um das Fußvolk, das Jaulars Männer einschließt. Wir brauchen nur genug Zeit, um die Flugschiffer in den Schutz der Speerschleudern auf dem Hügelkamm zu bringen. Das können wir schaffen, wenn wir alle zusammenhalten!«
Die Grawlfrau ließ ihn durch ein Nicken wissen, dass sie verstanden hatte, und hob den Drachenstab hoch über den Kopf. »Weiche, Drache!«, schrie sie, wobei sie vor Aufregung in ihre Muttersprache verfiel, was auf die Wirkung des Artefakts jedoch keinen Einfluss hatte. Ein goldener Schimmer huschte über die in den matt glänzenden Metallschaft eingravierten Runen, und im nächsten Moment entzündete sich der faustgroße, bernsteinfarbene Edelstein an der Spitze des Stabes in einem grellen Blitz. Sein helles Strahlen zog die Blicke aller in
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