Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
verschwunden war. Sie teilten die hohen Pflanzen und tauchten im Dickicht unter. »Estiotelos«, flüsterte Tarean. »Wo bist du?«
»Hier«, meldete sich eine leise Stimme zu Wort, und der kleine Mann erschien hinter einem breiten Farnwedel.
»Wieso bist du zurückgekehrt?«
Estiotelos zuckte mit den Schultern. »Ach, ich dachte mir, ich schaue mal, wie eure zweite Begegnung mit dem Arkonten verläuft. Nicht so gut, wie mir scheint.«
»Das kannst du wohl sagen«, gab Auril finster zurück.
»Schaut, ich habe gehört, was der Riese von euch verlangt hat. Unmöglich. Barbarisch.« Estiotelos schnaufte empört. Er warf einen Blick nach links und rechts, als wolle er sich vergewissern, dass es keine unerwünschten Mithörer gab. Ein listiger Ausdruck trat auf seine Miene. »Vielleicht gibt es aber eine Lösung für euer Problem. Habt ihr schon einmal daran gedacht, ihn einfach aus dem Weg zu räumen?«
Tarean glaubte, sich verhört zu haben. »Ihn aus dem Weg räumen?«, wiederholte er zweifelnd. »Wie sollten wir das anstellen? Du siehst doch, was für ein Brocken der Arkont ist und was für ein Schwert er trägt.«
»Das ist beides wahr, doch ihr könnt ihn trotzdem bezwingen, und zwar hiermit.« Der grünhaarige Verschwörer zog einen kleinen Beutel aus einer Tasche seiner Beinkleider hervor.
»Was ist das?«, wollte Auril wissen.
»Ein Pulver, das den Riesen blenden wird, wenn es ihm in die Augen gerät.« Estiotelos setzte eine gewichtige Miene auf und gestikulierte wie ein Feldherr, der eine Schlacht plant. »Ich stelle mir das so vor: Moosbeere huscht zu dem Burschen hinüber und bläst ihm das Pulver ins Gesicht. Daraufhin lässt dieser sein Schwert fallen und beginnt sich wie wild die Augen zu reiben. Den Moment nutzt ihr, Bromm und Auril, um ihn mit Wucht zu Fall zu bringen. Dann stößt du, Tarean, ihm dein Zauberschwert direkt ins Herz, denn dort ist er verwundbar. Und schon ist der Weg frei.«
»Woher weißt du, dass ich eine machterfüllte Klinge trage?«, fragte Tarean verblüfft.
Estiotelos hüstelte. »Ich sah vorhin, dass die Schneide voller Runen ist. Außerdem habe ich eine Nase für so etwas.« Er tippte sich mit dem Zeigefinger vielsagend gegen selbige und grinste. »Und? Was ist nun?«
Die Gefährten wechselten stumm einige Blicke.
»Das gefällt mir nicht«, stellte Bromm fest.
»Was gefällt dir daran nicht?«, fragte Estiotelos.
»Alles«, brummte der Werbär. »Das klingt zu leicht.«
»Ja«, pflichtete ihm Auril bei. Ihre grün glühenden Augen durchbohrten den kleinen Kerl. »Außerdem ist mir der Zufall, dass wir dich zuerst retten und du uns dann ein Mittel zum Sieg über den Wächter anbietest, ein bisschen zu glücklich.«
»Es wird gelingen, das schwöre ich euch«, verteidigte sich dieser. »Und es ist doch Ehrensache, dass ich euch helfe, nachdem ihr mich vor den Quequeks beschützt habt.«
»Hm …« Tarean schürzte nachdenklich die Lippen. »Ich bin dennoch dagegen. Das, was du uns vorschlägst, ist kein ehrbares Handeln. Ich gebe zu, die Vorstellung, den Kerl da hinten einfach im Kampf zu besiegen, klingt verführerisch. Aber selbst wenn dieser Wahnsinnsplan glücken sollte, glaube ich kaum, dass uns das Erste Licht freundlich empfangen würde, nachdem wir seinen Wächter erschlagen haben.«
Estiotelos prustete abfällig. »Ach, das Erste Licht. Das merkt überhaupt nicht, was außerhalb seiner Muschel passiert. Vertraut auf meine Worte. Es sitzt in seiner ganz eigenen Welt. Außerdem kann es sich jederzeit einen neuen Wächter schaffen. Das ist eine Kleinigkeit.«
»Ich bin trotzdem dagegen, auf dieser Insel Gewalt anzuwenden. Es fühlt sich einfach falsch an«, beharrte Tarean.
Ihr neuer Freund kniff die Augen zusammen. »Also liegt es nur an dem Ort? Wäre das hier ein finsteres Gebirge und der Wächter würde zwischen euch und eurem Ziel liegen, würdet ihr ihn dann töten?«
Tarean zuckte die Achseln. »Es kommt darauf an.«
»Worauf?«, fragte Estiotelos.
»Ob er im Recht oder im Unrecht wäre. Würde er etwa jemanden gefangen halten, würden wir ihn wahrscheinlich bekämpfen. Würde er nur seinen Herrn bewachen …«
»… und dieser Herr wäre nicht gerade ein Hexenmeister …«, warf Auril ein.
»… wäre es wohl kaum richtig, ihn anzugreifen, solange er uns nichts tut.«
In diesem Augenblick stieß Moosbeere, die während der Ereignisse der letzten halben Stunde überraschend schweigsam gewesen war, einen theatralischen Seufzer aus. »Das
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