Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
Andenken. Und vielleicht würdest du ja einen Ort finden, an dem eine Gloriolis zu wachsen vermag.«
»Ich werde die Augen offen halten.« Tarean lächelte, als er die Kugel wieder in das Kästchen zurücklegte, dieses zuklappte und dann in seiner Tasche verstaute. Er hatte eine ungefähre Vorstellung davon, was das Irrlichtmädchen dazu bewogen hatte, ihm den Samen mitzugeben. Es war die beinahe anrührend hilflose Geste eines Geschöpfs, das die Grenzen des Cerashmon vermutlich niemals verlassen würde und Tarean etwas vermachen wollte, das dieser dann mit sich in die weite Welt hinaustrug. Keine Angst, Goldblüte, dachte er. Du magst nur ein kleines Licht im großen Wald sein, aber ich werde dich in guter Erinnerung behalten.
Kurz darauf verschwand auch Moosbeere in Tareans Tasche, wo sie den Rest des Tages verschlief, während Tarean guter Dinge querfeldein durch blühende Wildwiesen wanderte. Als er an einem kleinen Weiher vorüberkam, nutzte er die Gelegenheit, sich den Staub und Dreck seiner Reise durch den Cerashmon abzuwaschen, und nach vollendetem Bad legte er sich ins Gras, um sich von den wärmenden Strahlen der Fünfmondsonne trocknen zu lassen, bevor er schließlich wieder aufbrach.
Die Sonne war bereits weit in den Westen gewandert und stand tief über den am Horizont aufragenden Arden, als Moosbeere wieder zum Vorschein kam und die beiden sich daranmachten, einen Rastplatz für die Nacht zu suchen. Sie fanden eine kleine Senke im Schutze des Waldrands, die nach Norden hin von Buschwerk beschirmt war, in Richtung Südwesten aber einen prächtigen Ausblick über das Land bot. Und obwohl mit zunehmender Dunkelheit unheimliche Laute aus den Tiefen des Cerashmon drangen, fühlte Tarean sich nicht bedroht. Die Begegnung mit dem Borkenmann und die Anwesenheit Moosbeeres gaben ihm ein Gefühl von Sicherheit, um das er sich selbst während seiner ersten Durchquerung des Alten Waldes beneidet hätte.
Tarean sammelte ein paar heruntergefallene Äste und entzündete ein kleines Lagerfeuer. Sein Magen knurrte vernehmlich und erinnerte ihn daran, dass er am heutigen Tag noch so gut wie nichts gegessen hatte – von den Tagen, die er im Delirium verbracht hatte, ganz zu schweigen. Er breitete die mageren Reste seiner Verpflegung vor sich aus und beschloss kurzerhand, alles aufzuessen, denn so oder so musste er am morgigen Tag nach einem Gehöft Ausschau halten, wollte er nicht den Rest des Weges nach Agialon hungern.
Nachdem er sich gestärkt hatte, zog Tarean die Kapuze seines Mantels über den Kopf, warf sich gegen die Nachtkühle zusätzlich die Wolldecke über die Schultern und lehnte sich dann an den dunklen Stamm eines der Bäume, die den Waldessaum des Cerashmon bildeten. Versonnen blickte er ins Feuer, und wie von selbst begannen seine Gedanken zu wandern.
Bald würde er ein Ritter des Kristalldrachenordens sein, wie einst sein Vater. Was bedeutete das? Würden die Menschen zu ihm und den anderen aufblicken und ihnen zujubeln, wenn sie in eine Stadt einritten? Oder hatte die Zeit von Calvas’ Herrschaft und die Unfähigkeit des Ordens, dem Hexer Einhalt zu gebieten, nicht nur den Namen Anreons beschmutzt, sondern auch das Ansehen der Kristalldrachenritter nachhaltig beschädigt?
Sehr deutlich wurde sich Tarean der Tatsache bewusst, dass er über die Vergangenheit des Ordens, seine Ziele, seine Taten und seine Mitglieder so gut wie keine Kenntnisse besaß. Wilfert hatte ihm in den Jahren, die sie beide gemeinsam auf Dornhall verbracht hatten, vielerlei über die weite Welt außerhalb des Almentals erzählt, über das prunkvolle Agialon und die belebte Hafenstadt Bristaja, den finsteren Cerashmon und das dunstverhangene Nebelmoor. Die Geschäfte der Kristalldrachen hatte er dabei jedoch stets ausgespart. Tarean glaubte sich daran zu erinnern, dass Fenrir auf ihrer Reise durch Nondur über die Absichten Bruder Lanferts gesprochen hatte, nach Agialon zu gehen. Möglicherweise konnte der Mönch, der einst in den Diensten des Kristalldrachenordens gestanden hatte, ein paar von Tareans Wissenslücken auffüllen. Der Junge nahm sich vor, nach ihm zu suchen, sollte genug Zeit dazu bleiben.
Ein huschendes Licht im dunklen Gras zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Dem Anschein nach ging Moosbeere ihrer Lieblingsbeschäftigung nach – der vollkommen willkürlichen Erforschung aller Natur um sie herum. Dabei schwebte sie von Halm zu Blüte und begutachtete Käfer, Raupen und anderes Kleingetier mit einem
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