Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
Prickeln erfüllte ihn von Kopf bis Fuß. Moosbeeres Aura! , fuhr es ihm durch den Sinn. Sie hat sich wieder verwandelt. Tatsächlich stand seine für gewöhnlich handtellergroße Gefährtin in Menschenfrauengestalt direkt vor ihm, und im Gegensatz zum Vormittag, an dem ihre Verwandlung im Überschwang der Wiedersehensfreude regelrecht unbewusst gewirkt hatte, rührte sie sich diesmal nicht von der Stelle, sondern ließ zu, dass Tarean klar wurde, was sie getan hatte.
»Schau mich an«, befahl sie ihm und breitete ihre Arme und die schmetterlingsartigen Flügel leicht aus.
Mit klopfendem Herzen kam er ihrer Aufforderung nach. In den Tiefen von Moosbeeres Augen glitzerte es wie Sternensplitter, die zur Erde gestürzt und in einem glasklaren Meer versunken waren – einem Meer, in dem auch er versinken wollte.
»Also die Wahrheit«, sagte sie in gewichtigem Tonfall. »Ich bin Moosbeere, die erste Tochter von Mondentau, der Königin der Lichtgeborenen. Erwacht aus dem dritten Licht, trage ich den Titel einer Prinzessin von Tesh Ilmarin und einer Tochter des Cerashmon. Wie alt ich bin, vermag ich nicht zu sagen, denn Jahre, wie ihr jungen Völker sie zählt, kenne ich nicht. Doch der Kampf der Kristalldrachen gegen den Herrn der Tiefe hatte noch nicht begonnen, als ich das erste Mal auszog, um in der Nacht zwischen den Bäumen zu tanzen.« Sie stockte kurz, und in ihren Augen blitzte es schelmisch. »Außerdem bin ich die Versprochene des größten Helden, den Endar seit Generationen gesehen hat: dem einstmaligen Sohn des Fluchbringers, dem heutigen Erben der Kristalldrachen und dem künftigen Ritter …«
»Moosbeere!«, unterbrach Tarean sie entrüstet, als ihm aufging, dass sich das Irrlicht einen Spaß mit ihm erlaubte.
Seine Gefährtin gab ihre strahlende Pose auf und fiel ihm lachend in die Arme. »Es tut mir leid«, sagte sie mit leisem Glucksen, während ihre Hände über seinen Rücken glitten und sie sich an ihn schmiegte. »Ich konnte einfach nicht anders. Deine Miene war allzu ehrfürchtig.«
»Du bist so blöd, Moosbeere«, brummte Tarean. »Ich hatte gehofft, du würdest mich einmal im Leben ernst nehmen.«
Das Irrlicht hob den Kopf und lächelte. »Oh, aber es ist alles wahr, was ich gesagt habe. Ich war eine Prinzessin, und du wirst ein strahlender Ritter sein. Auch wenn das so klingt, als wäre es aus einem Märchen geklaut.«
»War?«, fragte Tarean mit einem Stirnrunzeln.
Moosbeere deutete ein Schulterzucken an. »Ich weiß nicht, ob ich nach dem Seelenwechsel und meiner Entscheidung für ein Leben hier draußen in der Welt jemals den Blütenthron von Tesh Ilmarin besteigen werde. Ich bin zu sehr eine Außenseiterin, als dass meine Schwestern mich gern als Herrscherin sehen würden. Aber das ist mir auch gleich. Solange wir zusammen sind.« Mit diesen Worten stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
»Warum ich?«, fragte Tarean eine Weile später, als sie gemeinsam auf seinem Reisemantel im Gras lagen und zu den Sternen aufblickten. Moosbeere hatte auf Anraten des Jungen ihre Lichtaura zu einem warmen Glühen abgeschwächt, denn nachdem Tarean wieder klar hatte denken können, war ihm aufgefallen, dass eine menschengroße Lichtkugel am dunklen Waldessaum vermutlich über Meilen hinweg Aufmerksamkeit erregen würde. Nun leuchtete der Körper der elfenhaften Frau in seinen Armen kaum stärker als das Lagerfeuer an ihrer Seite, und Tarean war der Ansicht, dass das wohlige Gefühl, das Moosbeeres Nähe in ihm erzeugte, den geringen Rest der Gefahr, entdeckt zu werden, aufwog.
»Wie meinst du das?«
»Na ja, was in aller Welt hat dich bewogen, mir dein Herz zu schenken?«
»Ich habe gar kein Herz«, bemerkte Moosbeere, während ihre Hand über sein Hemd strich. »Nur ihr Menschen tragt so ein komisches Ding in der Brust, das unablässig schlägt, um euch am Leben zu halten.«
»Du weißt, was ich meine«, versetzte Tarean leise.
»Ja.« Sie zögerte kurz. »Ich kann nicht sagen, was mich vom ersten Moment an zu dir hingezogen hat. Du warst groß, schwer von Begriff und wirktest völlig verloren in der Welt. Aber es fühlte sich richtig an, dich begleiten zu wollen. Und hat mich mein Gefühl getrogen?« Moosbeere kuschelte sich behaglich an seine Seite. »Hat es nicht. Denn schau nur, was wir inzwischen gemeinsam vollbracht haben.«
»Groß, tumb und orientierungslos – du hattest ja eine hohe Meinung von mir.« Tarean grinste.
»Na und? Du hieltest mich für klein, frech und
Weitere Kostenlose Bücher