Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
hast du vor?«, fragte Iegi, als er sah, dass Tarean die Phiole mit dem Wasser des Sehens auspackte.
»Ich will mit Zaeena sprechen. Wir müssen die anderen vor den Dunkelgeistern warnen.«
Janosthin legte ihm eine Hand auf den Unterarm. »Warte, mein Junge. Denk dran, was die Ritterin gesagt hat. Uns bleiben nur zwei, vielleicht drei Gelegenheiten, um mit unseren Gefährten Verbindung aufzunehmen. Wir sollten diese Zeitpunkte mit Bedacht wählen. Wer weiß, was uns noch bevorsteht?«
»Aber wenn die Dunkelgeister hinter uns her sind, befinden auch sie sich in Gefahr.«
»Wissen wir denn, dass sie wirklich hinter uns her sind? Könnte es nicht auch eine zufällige Begegnung gewesen sein?«, fragte Iegi, nur um sich nach kurzem Nachdenken selbst die Antwort zu geben: »Zugegeben, das wäre ein wahrhaft außergewöhnlicher Zufall gewesen …«
»Auril und die anderen waren dabei, als ich euch von meiner Vision erzählte«, versuchte Janosthin derweil, Tarean zu überzeugen. »Sie kennen die Bedrohung. Außerdem habe ich keine Sorge, dass sich unsere Gefährten verteidigen können. Bromm und Auril haben gemeinsam schon einiges erlebt. Und machte die Ritterin auf dich den Eindruck, als sei sie leicht zu besiegen?« Er zwinkerte dem Jungen zu.
Tarean verzog das Gesicht, aber er nickte. »Na schön, vielleicht hast du recht. Haben wir also ein wenig Vertrauen in ihre Fähigkeiten.«
»Kommt es nur mir so vor, oder haben wir uns vollkommen verirrt?« Auril drehte sich mit unzufriedener Miene im Kreis und sah sich dabei um. In alle vier Himmelsrichtungen erstreckte sich die Einöde des Nebelmoors, eine Landschaft aus bräunlichem Sumpfgras, die von schmutzigen Wasseradern durchzogen war. Dichte Nebelschwaden hingen in der Luft und ließen die Welt in kaum mehr als hundert Schritt Entfernung in einem Meer aus Weiß versinken. Da und dort ragten hagere, beinahe skelettartige Nadelhölzer einsam wie verlorene Seelen aus dem Dunst. Ansonsten war nichts zu sehen. Jede Richtung wirkte gleichermaßen abweisend.
Ihr Pferd, eine gescheckte Stute aus der Garnison am Drakenskal, das die Albin im Moment am Zügel führte, schien das ähnlich zu sehen, denn es schnaubte und schlug unwillig mit dem Schweif.
»Wir haben uns nicht verirrt. Wir müssen nur den Weg wiederfinden«, stellte Zaeena Tsaar richtig, doch die Art, wie sie die Worte durch zusammengebissene Zähne hervorpresste, machte deutlich, dass sie diesem Unterfangen im Augenblick wenig Aussicht auf Erfolg einräumte.
»So kann man es auch nennen«, bemerkte Auril sarkastisch. Sie trat versehentlich in ein Schlammloch, das von einem Grasbüschel verborgen gewesen war, und musste sich zusammenreißen, um nicht laut zu fluchen. Es war das ungefähr zwanzigste Schlammloch, mit dem sie Bekanntschaft machte, seit der Pfad, den ihre Mutter als Abkürzung zwischen Altengrund und der Handelsstraße nach Rûn bezeichnet hatte, von einem Moment zum anderen verschwunden war. Seitdem stapften sie ohne jede Orientierung durch das weiße Nass, das dem Nebelmoor seinen Namen verlieh und an diesem Tag einfach nicht weichen wollte, obwohl es schon um die Mittagszeit sein musste.
Bromm lachte leise.
»Was findest du so komisch?«, fuhr ihn die Albin an.
»Euch«, gestand der Werbär freimütig. »Seit wir Tarean und die anderen verlassen haben, werdet ihr nicht müde, euch zu streiten. Ich wusste ja, dass Alben ein hitzköpfiges Volk sind, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.« Er schüttelte schmunzelnd den schweren Schädel.
»Ich möchte dich mal sehen, wenn deine Mutter eines Tages einfach so auftaucht und das Kommando an sich reißt«, murmelte Auril mit finsterer Miene.
»Schweigt kurz«, unterbrach sie Haffta unvermittelt, hob die Pfote und spitzte die Ohren.
Zaeena warf der Grawlfrau einen aufmerksamen Blick zu. Ihre Hand glitt zu dem Haken am Rand ihres Sattels, an dem ihre Stangenwaffe hing – eine Schwertlanze, wie sich Auril hatte belehren lassen, die ihre Mutter auf ihren Reisen durch den Osten Endars erworben und schätzen gelernt hatte. »Was hörst du?«
Haffta legte den Kopf schief. »Schreie. Ich höre Hilfeschreie. Sie kommen von dort vorn.« Sie deutete in den Nebel zu ihrer Rechten.
»Sehen wir mal nach«, knurrte die Ritterin, hakte das Kettengeflecht ihres Helms vor ihr Gesicht und löste die Schwertlanze aus ihrer Halterung. Mit einem knappen Befehl trieb sie die Großkatze, einen Catarr namens Grinjah, an, und das Tier setzte sich mit geschmeidigem
Weitere Kostenlose Bücher