Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
einem unfertig wirkenden Kopf, aus dem zwei weiße Augen glommen, wie blasse Sterne aus Inseln aufklarenden Himmels in einer bewölkten Nacht. An den Rändern zerfaserte der Körper, und als er sich mit langen Schritten in Bewegung setzte, zog er einen Schweif aus schwarzem Dunst hinter sich her, gleich der Rauchfahne eines brennenden Flugschiffs.
»Aber wir können nicht fliehen«, entgegnete Janosthin hitzig. »Er hat uns gefunden. Jetzt wird er uns verfolgen. Ohne Gnade.«
»Er wird uns auch verfolgen, wenn du tot bist! Jetzt komm. Wir brauchen nur genug Vorsprung, um mit Bruder Lanfert und Magister Dinriol zu sprechen.« Tarean schwang sich auf Ro’iks Rücken. Erwartungsvoll sah er den Setten an, und als dieser mit einem grimmigen Nicken sein Einverständnis zu dem Plan gab, schlug der Junge dem Greifen auf die Schulter. »Los, Ro’ik. Weg hier!« Mit einem Satz schwang sich das Vogelpferd in die Luft und begann flügelschlagend Iegi und Ishilrin zu folgen, die bereits innerhalb des Trichters aufstiegen.
»Tarean, schau nur, Janosthin!«, schrie Moosbeere in diesem Augenblick.
Der Junge blickte sich um und erstarrte. Ihr Gefährte stand nur zwei Schritt von Ialshi entfernt, die krächzend und mit den Hufen schlagend rückwärts drängte. Er schien wie auf der Stelle festgefroren. Der Runenhammer lag neben ihm auf dem Boden, und sein ganzer Leib zitterte. In seinem Rücken steckte ein schwarzer Speer, ein Speer, der sich zu einem Arm verlängerte, der schließlich im dunstigen Körper des Dunkelgeists endete.
»Nein, verdammt …« Tarean presste die Lippen zusammen und verwünschte Janosthin für seinen unpassenden Anfall von Heldenmut. Sie hatten die Schnelligkeit des schemenhaften Attentäters unterschätzt. Selbst drei im Streit gewechselte Sätze waren zu viel gewesen, und jetzt hatte das Ungeheuer Janosthin erwischt. Ein verzweifelter Plan formte sich in Tareans Kopf. »Ro’ik, dreh um«, befahl er dem Vogelpferd.
»Was hast du vor, Tarean?«, rief das Irrlicht angstvoll.
»Ich will etwas versuchen. Bete, dass es klappt«, schrie der Junge zurück, als der Greif gehorsam eine Schleife flog und wieder zum Boden der Senke hinabglitt. Die Greifen waren wahrhaftig perfekt ausgebildete Kriegsreittiere. Waffen kreuzen, Waffen kreuzen , hämmerte es in Tareans Schädel. Auril hatte ihm nach ihrem Kampf gegen die Dämonen in den Dunkelreichen erzählt, wie sich die Macht Esdurials und des Drachenstabs vervielfacht hatte, nachdem sie die Waffen zusammengeführt hatte. Er hoffte, dass dieser Trick auch außerhalb des unterirdischen Kerkerreichs, in dem die Kristalldrachen den Herrn der Tiefe eingesperrt hatten, klappen würde.
Ro’iks Hufe hatten kaum den Steinboden berührt, als Tarean bereits vom Rücken des Vogelpferds glitt und neben dem Schwert seines Vaters nun auch den Drachenstab hervorriss. »He, du Scheusal. Komm her. Hier ist ein Gegner nach deinem Geschmack!«
Der Dunkelgeist wandte ihm das ausdruckslose schwarze Antlitz zu, und seine fahlen Augen leuchteten auf. Er zog den Arm aus Janosthins Rücken, woraufhin der Sette wie ein nasser Sack zu Boden fiel. Dann stakste er lautlos auf Tarean zu, die langen Arme mit den spindeldürren Schattenfingern gierig erhoben.
Bitte, lass es klappen , flehte Tarean und hob seine beiden Waffen. »Weiche, Ungeheuer!«, schrie er verzweifelt und reckte Stab und Schwert nach vorn. »Weiche vor der Macht des Drachenstabes und Esdurials!« Gleichzeitig erwachten die machterfüllten Artefakte zum Leben, schimmernde Runen und weißes Drachenfeuer. Sein rechter Arm prickelte vor aufgestauter Macht. In dem Augenblick, als die Waffen ihre volle Macht entfalteten, führte der Junge sie zusammen. Ein heißer Schmerz fuhr fauchend durch seinen Leib …
… und eine gewaltige Lichtexplosion erschütterte den gesamten Erdfall. Tarean wurde von den Füßen gehoben und landete krachend auf dem Rücken. Eine Welle weißen Strahlens brandete die steilen Abhänge empor. Moosbeere, die am oberen Rand des Trichters geschwebt hatte, wurde kreischend davongewirbelt, und selbst Iegi und sein Greif zuckten in der Luft zurück.
»Was war das denn?«, brüllte der junge Vogelmensch fassungslos einige Augenblicke später, nachdem die Lichtflut wieder abgeebbt war.
»Ich … ich weiß es nicht«, stammelte Tarean, während er sich aufrappelte und auf die Waffen in seinen Händen starrte. Viel mehr als das Strahlen der Spitze des Drachenstabes und das Brennen der Klinge Esdurials
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