Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
meldete sich Tareans in der Luft schwebende Begleiterin zu Wort.
Halfbadur blickte mit blutunterlaufenen Augen von einem zum anderen. »Jetzt muss ich mich erst einmal setzen«, murmelte er und tat es. »Und was ist mit Euch?«, wandte er sich an Janosthin.
Der Sette lachte gutmütig. »Ich bin einfach nur Janosthin aus dem Wächterhaus Tiefenerz hier in Bergspitze. Ich diente als Bewahrer des Kristalldrachensteins von Tiefgestein, und nun begleite ich Tarean und seine Freunde auf ihrer Suche nach den letzten der alten Ordensritter.«
Mit einer beinahe andächtigen Bewegung verkorkte Halfbadur den Weinschlauch, erhob sich, legte ihn ins Regal zurück und gebot dann allen mit einer Geste sich zu setzen. Er ließ sich ebenfalls nieder und rieb sich mit einer Hand über das Gesicht. »Also schön. Vielleicht erzählt ihr eure ganze Geschichte von Anfang an. Aber sprecht langsam und in einfachen Sätzen. Ich habe heute Abend zu viel getrunken, und mir brummt jetzt schon der Schädel.«
Es musste bereits nach Mitternacht sein, als sie zum Ende kamen. Ein silberner Mond stand hoch am klaren nächtlichen Himmel und schien durch das zerstörte Dach herein. Halfbadur hatte in der Zwischenzeit aufgehört zu murren und zu brummen, und in seinem vom Alkohol gezeichneten Gesicht hatte ein Ausdruck schieren Staunens Einzug gehalten.
»Steinschlag und Hagelquarz«, murmelte er, als Tarean sich schließlich erwartungsvoll zurücklehnte. »Ich möchte euch Lügner nennen und zur Tür hinausprügeln. Aber ihr habt den Ring Zaeena Tsaars bei euch und das Schwert von Anreon von Agialon. Und zumindest die Ritterin habt ihr eindeutig getroffen. Die Beschreibung passt wie die Faust aufs Auge – von diesem Katzenvieh einmal abgesehen. Früher ritt sie auf einem gehörnten Pferd. Aber die Katze passt zu ihr. Sie liebte schon immer das Pompöse.« Er lachte rau, verschluckte sich und bekam einen Hustenanfall.
»Also werdet Ihr uns helfen?«, fragte Tarean.
Der Sette zwirbelte nachdenklich seinen geflochtenen Bart. »Hm, ja, mal sehen. Ich brauche erst mal eine Mütze Schlaf. Also verschwindet einstweilen aus meiner Bleibe.« Er erhob sich und machte mit seinen Händen eine scheuchende Geste.
Tarean und die anderen standen ebenfalls auf. Sie sahen sich fragend an.
»Hört, Ritter Halfbadur«, begann Iegi.
»Halfbadur!«, unterbrach ihn dieser erregt. »Erdsturz noch mal, wie oft muss ich das noch sagen!«
»Halfbadur … das hier ist kein Spiel. Wir sind nicht aus einer Laune heraus zu Euch gekommen. Wir brauchen Eure Hilfe. Kesrondaia, die Mutter der Kristalldrachen, braucht Eure Hilfe. Ihr seid der Einzige, der uns den Weg zu Questoi weisen kann, der wiederum der Einzige ist, der möglicherweise weiß, wie man dem Dunkel, das in Nondur erwacht, die Stirn zu bieten vermag. Das Wohl unserer Welt steht auf dem Spiel. Und der Weg zu ihrer Rettung beginnt hier! Also seid nicht so stur, sondern erinnert Euch daran, wer Ihr einst wart.« Der Taijirinprinz hatte unwillkürlich die Flügel auf seinem Rücken gespreizt und ragte nun regelrecht drohend über dem Setten auf.
»Raus! Allesamt!«, brüllte Halfbadur. »Ich hab doch gesagt, ich muss schlafen. Wird ein anstrengender Tag, wenn wir mit dem Sonnenaufgang aufbrechen wollen, um zu meinem Haus zu wandern. Dort bewahre ich einen Brief von dem alten Wirrkopf auf, den er mir gab, als ich ihn vor fünfzehn Jahren das letzte Mal sah. Keine Ahnung, was drinsteht. Hab ihn nie aufgemacht. Aber vielleicht ist er euch eine Hilfe.« Der Sette wandte sich ab und begann, den Tisch abzuräumen. »Ich wandere bei Tagesanbruch los«, knurrte er. »Seid pünktlich. Ich werde nicht auf euch warten.«
Tarean schenkte Iegi ein anerkennendes Nicken. Seine Lippen umspielte ein zufriedenes Lächeln. »Danke, Halfbadur. Wir werden da sein.«
Der ehemalige Kristalldrachenritter schnaufte nur.
11
WÎNHALL
Auril war noch nie in ihrem Leben in Rûn gewesen. Sie hatte nie das Bedürfnis verspürt, in das Hochland nördlich des Cerashmon zu reisen, denn in ihrer Vorstellung war es dort vor allem kalt und nass. Entsprechend überrascht war sie, als die nach Norden führende Handelsstraße den ewigen Dunst des Nebelmoores hinter sich ließ und in die Berge hinaufkletterte. Rûn war ein Land von rauer Schönheit, Astria nicht unähnlich, doch statt der schroffen Berge und schmalen Schluchten prägten sanfte Hügel, die von Heidesträuchern und steinigen Wildwiesen bedeckt waren, das Gesicht der Landschaft.
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