Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
bereit erklärt, der Wolflingfrau Gesellschaft zu leisten. Anschließend waren Mutter und Tochter gemeinsam nach Wînhall geritten. Sie hatten sich ein wenig in der Stadt umgesehen, und am Ende hatten sie den Marktplatz erreicht, auf dem zu dieser Tageszeit nur noch wenige Menschen unterwegs waren.
Sie waren übereingekommen, einen Mittelweg zwischen unauffälligem Auskundschaften und einem lautstarken Auftritt zu beschreiten, indem Zaeena zwar in voller Rüstung und auf dem Rücken ihres Catarrs in Erscheinung trat, allerdings ohne ihren Waffenrock und ohne zunächst etwas über ihre Ordenszugehörigkeit preiszugeben. So vermochten sie einerseits, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung – und damit vielleicht auch die von Hattson und Jeldreth – auf sich zu ziehen, vermieden aber andererseits, die Gemüter durch die Kunde zu erregen, dass eine Kristalldrachenritterin erstmals seit siebzehn Jahren Wînhall einen Besuch abstattete.
Diesen zweiten Teil ihres Plans schien Zaeena nun über Bord geworfen zu haben, wenngleich es eher unwahrscheinlich war, dass der Wachmann in den nächsten Stunden überall in der Stadt verbreitete, wer da soeben an die Tür zum Clansrund geklopft hatte. Doch Auril beschloss, die Augen offen zu halten. Nach ihren Erfahrungen in Agialon war sie hinsichtlich der Liebe der Bevölkerung zu den Ordensrittern vorsichtig geworden.
Das Portal zur Halle des Clan Borkesonn stand weit offen – eine Eigenart der Rûnländer, wie Zaeena ihr erklärte, denn hier war es jedermann erlaubt, an den Feiern der Mächtigen teilzunehmen. »Oder vielleicht sollte ich einschränken: jedem Mann«, fügte sie mit vielsagendem Blick hinzu. »Die Clansmannen sind, anders als wir Alben, eine Gesellschaft, in der die Männer den ganzen Spaß haben – trinken, herumbrüllen, Kriege führen. Die Frauen müssen unterdessen irgendwie Haus und Hof zusammenhalten.«
»Vielleicht hättest du Bromm an meiner Statt mitnehmen sollen«, entgegnete Auril. »Groß und bärtig ist er jedenfalls, und er kann auch laut sein, wenn er will.«
»Und dich um dieses einmalige Erlebnis bringen? Um nichts in der Welt.« Zaeena nahm ihren Helm ab und befestigte ihn an Grinjahs Sattel. Sie beugte sich zur Seite, griff in ihre Satteltasche und holte einen Knochenkamm hervor. Dann löste sie den dicken Zopf, zu dem ihr langes schwarzes Haar geflochten war, und fuhr mit dem Kamm ein paar Mal kraftvoll hindurch.
»Was machst du da?«, wunderte sich Auril.
»Ich möchte keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass wir Frauen sind, wenn wir diese Halle betreten«, antwortete ihre Mutter und warf ihr den Kamm zu. »Ich finde, das sind wir den Kerlen da drinnen schuldig.«
Auril schüttelte den Kopf, vermochte aber ein leichtes Grinsen nicht zu unterdrücken, als sie ebenfalls ihr Haar öffnete. Sie hatte ihre Mutter niemals richtig kennengelernt. Trotzdem teilte sie weit mehr Eigenschaften mit Zaeena, als sie und ihr Vater es, ungeachtet vieler gemeinsamer Jahre, jemals getan hatten.
Als sich die beiden Albinnen der Borkesonn-Halle näherten, schnaubten einige der unweit des Eingangs angebundenen Pferde angstvoll und warfen die Köpfe herum. Sie hatten die mächtige Großkatze bemerkt, die sich ihnen beinahe lautlos von hinten näherte. Einige von ihnen schlugen aus und versuchten erfolglos, sich aufzubäumen und zu fliehen.
»Wie hast du dich mit Grinjah nur früher in einer Stadt bewegen können?«, fragte Auril.
»Es ist die erste, die ich mit ihm besuche«, sagte Zaeena trocken. »Ich komme aus dem Osten, wie du dich vielleicht erinnerst. Da gibt es keine Städte. Und nach Agialon habe ich ihn nicht mitgenommen, sondern mir ein Pferd geliehen.«
»Oh.«
Ein junger Knecht kam zur Tür herausgestürzt, um nach den unruhigen Vierbeinern zu sehen. Ihm fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als er sah, wie Auril und Zaeena von ihren Tieren abstiegen.
»Seid so nett und kümmert Euch ein wenig um Grinjah, ja?«, säuselte die Ritterin, während sie in ihrer schwarzen Panzerung an dem Knaben vorbeischritt, ohne sich vorher die Mühe zu machen, den Catarr in irgendeiner Weise festzubinden.
»Lasst ihn lieber in Ruhe, er hatte heute noch nichts zu fressen«, raunte ihm Auril zu, als sie ihrer Mutter folgte.
Ein Lächeln umspielte ihrer beider Lippen.
Aus dem Inneren schlug ihnen lautstarkes Grölen und Lachen entgegen, das sich noch verstärkte, als sie durch das Portal traten.
Die Borkesonn-Halle bestand aus einem großen, hohen Raum mit
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