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Target 5

Target 5

Titel: Target 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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sich aus einem Fenster und starrte zu der winzigen Gestalt auf der Saling hoch, die er kaum ausmachen konnte. Volle Kraft… Wenn es möglich gewesen wäre, hätte er Schmidts Befehl widerrufen.
    Beaumont auf der Mastspitze starrte nach Backbord. Seine Kleidung, von den Eiskristallen schwer wie ein Stahlpanzer, hing bleiern an seinen Gliedern. Er erteilte eine letzte Anweisung. »Wenn Sie merken, daß sie durchkommt, Schmidt, machen Sie weiter…« Das Schiff schob vorwärts, und das Dröhnen der Motoren hämmerte in Beaumonts Kopf. Er schlang seine Arme fest um den gepolsterten Mast und atmete tief ein. Das Schiff prallte auf.
    Der Bug der Elroy rammte das Eis auf der Backbordseite und schlug in einem Winkel auf die Barriere. Das Schiff prallte von der Barriere ab, schwang in einem Winkel herum, schoß weiter vorwärts und rammte mit furchtbarer Wucht das Eis auf der Steuerbordseite. Beaumont hatte den Eisbrecher als riesigen Billardball benutzt und den Bug gegen eine Seite karambolieren lassen, damit er auf der entgegengesetzten Seite in der Nähe der gezackten Rinne aufschlagen konnte. Das Dröhnen der laufenden Motoren übertönte ein neues Geräusch, ein mahlendes Krachen, das durch das ganze Schiff lief und die Crew unter Deck erstarren ließ. Aber die Wirkung in Meereshöhe war nichts im Vergleich zu dem, was auf der Mastspitze passierte.
    Der Mast vibrierte wie eine Stimmgabel, peitschte vor und zurück, als ob er sich von dem Schiff losreißen wollte. Beaumont wurde mit dem fast dreißig Meter hohen Mast hin und her geschleudert. Der Mast bog sich wie ein Spazierstock unter enormem Gewicht. Die Belastung war entsetzlich, fast unerträglich, und Beaumont verlor die Orientierung, als das Peitschen sich fortsetzte – hin und her mit einer unglaublichen Geschwindigkeit. Er fühlte, wie seine Kräfte ihn verließen, daß er nahe daran war, das Bewußtsein zu verlieren. Er hatte das Gefühl, daß sämtliche Zähne aus seinem Mund losgerüttelt würden, daß sein Kopf von seinem Rumpf geschüttelt würde, daß sämtliche Glieder von seinem Körper fortstreben würden.
    Er öffnete die Augen, die Hände noch um den Mast geklammert, und alles war verschwommen. Er konnte nicht erkennen, ob das Schiff stand oder sich noch bewegte. Er blickte nach unten, sah einen riesigen Riß, fast schon eine offene Rinne, und ließ sich gegen den Mast fallen. Er spürte das kalte Mikrophon an seinem Kinn. Er sprach wie in Trance, ohne es zu merken, redete wie jemand, der Auswendiggelerntes wiederholt. »Weiter, Schmidt, weiter…« In seinem Mund schmeckte er etwas Salziges, Blut, und ein brennender Schmerz durchzog seine Schulterblätter, als ob sein Rücken gebrochen wäre. »Weiter, Schmidt…«
    Schmidt machte weiter. In dem Moment, als sie das Eis zu Steuerbord trafen, in der Sekunde, als er das Eindringen spürte, hatte Schmidt das Schiff in voller Fahrt gehalten. Der verschrammte Bug hämmerte auf das Eis ein, hob sich und erzwang sich seinen Weg vorwärts. Große Eisplatten wurden zur Seite geschoben, aufgerichtet, zusammengewalzt. Der Bug biß sich tiefer und tiefer in das Eis hinein, zog unentwegt weiter und zerschmetterte die Barriere, die endlich nachgab. Der Erste Ingenieur im Motorenraum starrte auf seine Meßgeräte, unfähig, seinen Blick von den Zeigern abzuwenden, die weit über dem Gefahrenpunkt vibrierten. Wenn Schmidt nicht aufpaßte, würden die Dampfkessel bersten.
    Schmidt beachtete das nicht, sondern blieb bei voller Kraft. Das Schiff reagierte gut, blieb nicht stehen, sondern bestieg mit seinem Bug das Eis, ritt auf ihm und brach es durch sein bloßes Gewicht und seine ungeheure Kraft.
    Beaumont auf dem Mast, kaum noch bei Bewußtsein, begriff nur nach und nach, was unten vor sich ging. Er sah, wie das Eis immer weiter zurücklief. Dann wußte er, daß sie durchkommen würden. Er verlor das Bewußtsein, sein Griff lockerte sich, und er rutschte von der Saling herunter. Wie ein Gehängter baumelte er in dem Brustriemen. Sein Körper schaukelte wie ein Pendel hin und her.
    Ausgerechnet Borzoli, der stämmige Matrose, der Beaumont noch vor kurzem den Eimer in den Weg geschoben hatte, stieg hoch, um ihn zu holen. Grayson hatte seinen Fuß schon auf der vereisten Leiter gehabt, als Borzoli ihn zur Seite schob: »Sie sind zu klein für diese Arbeit, mein Freund…« Wahrscheinlich war der Matrose der einzige Mann an Bord, der es hatte wagen können; obwohl einige Zentimeter kleiner als Beaumont, war er wie ein

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