Target 5
Eisrückenzone aus. Rasch sprach er in das Mikrophon, das von seinem Kinn baumelte.
»Schmidt! Fahren Sie rückwärts!«
Er umklammerte den gepolsterten Mast, während das Dröhnen der Motoren stärker wurde. Das Schiff bewegte sich rückwärts und glitt durch das dunkle Wasser. Die unmittelbare Wirkung auf die Mastspitze war sanfter, als Beaumont befürchtet hatte: nicht mehr als ein leichtes Schwingen. Unten glitt das Eisfeld vorbei, und zu beiden Seiten erschien dunkles Wasser, dunkle Flecken gegen die Blässe des Packeises. Das Schiff verlangsamte sein Tempo und blieb stehen. Beaumont wußte, was auf ihn zukam, und er spürte, wie seine Bauchmuskeln sich spannten. Es bedurfte eines bewußten Appells an seine Willenskraft, um die Maschinerie in Bewegung zu setzen, den Befehl in das Mikrophon zu sprechen.
»Halbe Fahrt! Vorwärts!«
»O. k. Beaumont, es geht los. Halten Sie sich fest!«
Beaumont preßte sich gegen den Mast, den Kopf zur Seite. Damit bereitete er sich auf den Aufprall vor. Die Antriebskraft steigerte sich, zitterte den Mast hinauf, und das Schiff schob sich vorwärts. Das Eisfeld weit unter ihm glitt nun in entgegengesetzter Richtung vorbei. Beaumont beobachtete den immer schmaler werdenden Wasserfleck. Denn wenn der Fleck verschwunden war, würde der Eisbrecher auf Eis stoßen, Schiff gegen Eis, Stahl gegen die Barriere, eine bewegliche Masse gegen eine unnachgiebige Kraft. Der Fleck wurde schmaler, war nur noch ein schwarzer Strich auf dem weißen Eis und verschwand dann ganz. Das Schiff fuhr immer schneller… Grkkk!… Der verstärkte Bug schlug auf. Der Aufprall ließ das ganze Schiff beben, raste den Mast hoch. Der Mast bebte, peitschte hin und her und vibrierte bis in die Spitze. Er traf Beaumont wie einen Hammerschlag. Verzweifelt klammerte er sich an den Mast und preßte seinen Körper gegen das Segeltuch. Die Vibration wurde langsamer und hörte dann ganz auf. Der Eisbrecher stand still, war im Eis festgefahren.
Beaumont lockerte seinen Griff und schaute nach vorn. Vor dem Bug wurde ein dunkler Riß sichtbar, der jedoch kaum länger war als einen Meter. Er schaute auf das Eis zu beiden Seiten der Ritze, auf der Suche nach einer größeren Spalte; aber er fand nichts. Das Eis war noch intakt. Er hatte sich so stark darauf konzentriert, daß es ein paar Sekunden dauerte, bis er merkte, daß Schmidt mit ihm sprach. Er packte den Mast etwas fester, sah, daß die offene Rinne sich in einer Entfernung von etwa einem Kilometer verbreiterte. Erst dann hörte er Schmidts energische Stimme wieder, die ein wenig besorgt klang.
»Beaumont, hören Sie mich? Beaumont…«
»Alles o. k. Wir haben nicht allzuviel erreicht diesmal. Dasselbe noch mal, kann ich nur sagen. Versuchen Sie, das Eis an genau derselben Stelle zu treffen, wenn es geht.«
»Zurück?«
»Ja, Schmidt, den Rückwärtsgang.«
Die mächtigen Motoren heulten auf, die Schraube drosch das dunkle Wasser am Heck. Von seiner enormen Höhe aus konnte Beaumont spüren, wie der Eisbrecher kämpfte, um sich aus dem Eis loszureißen. Die Elroy hatte sich verfangen, als sie ihre ganze Masse gegen das Eis geworfen hatte. Das Eis hatte sich gespalten, hatte den Bug einschneiden lassen und sich dann wie eine Schere um ihn geschlossen. Das Dröhnen steigerte sich ein zweites Mal, entwickelte noch mehr Kraft, und als Beaumont schon sicher war, daß Schmidt es nicht schaffen würde, riß sich das Schiff plötzlich los. Der tosende Lärm des zerschmetternden Eises war stärker als das Dröhnen der Motoren. Die Elroy glitt rückwärts und hinterließ dunkle Flecken auf der Backbordseite, wo sich Farbreste auf dem angeschlagenen Eis abgescheuert hatten. Während das Schiff rückwärts fuhr, schaute Beaumont zurück. Der schwarze Vorhang des Eisnebels rückte nun schon über den Gürtel der ebenen Eisfläche vor und kam dem Schiff immer näher. Er wartete, bis das Schiff wieder zum Stillstand gekommen war.
»Halbe Kraft! Vorwärts!«
Schmidt hatte das Schiff diesmal die Wasserrinne weiter zurückgefahren, damit der Bug durch einen längeren Anlauf mit größerer Wucht auftreffen würde. Beaumont hielt sich fest. Mit halbgeschlossenen Augen starrte er nach unten und beobachtete den schmaler werdenden Wasserstreifen, ohne zu wissen, daß Grayson und Langer an Deck standen, sich an der Reling festklammerten und mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen zu ihm hochschauten. Die Lücke schloß sich, und das Eis schoß ihm entgegen. Der zweite
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