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Target 5

Target 5

Titel: Target 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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schickte Breschnew Papanin nach Leningrad.
    »Und nehmen Sie Verbindung mit dem Flughafen auf, wo Winthrop angekommen ist. Man wird die Ankunft dieses Mannes registriert haben. Ich will wissen, ob er allein gekommen ist. Bis zwölf Uhr!«
    Die ›blutrünstigen‹ Bürger Leningrads versuchten nicht, Papanin wie Kirow zu erschießen. Sie gaben ihm nur den Spitznamen ›die Lokomotive‹. Wenn er, eine bekannte Figur, über den Newski-Prospekt schritt, erkannte jeder Russe ihn sofort, auch im dichtesten Gedränge. Papanin überragte die Menschen wie ein Turm. Er war ein Meter neunzig groß, breitschultrig und schwer gebaut; sein grober sibirischer Schädel war fast kahlgeschoren, und sein Mund war breit wie ein Karpfenmaul. Wenn er gelegentlich wie ein Feldwebel dröhnte, so konnte man – behaupteten die Leute – ihn bis Murmansk hören.
    »Gehen Sie zum Polizeirevier und bringen Sie mir Winthrops Sachen, Kramer. Gehen Sie selbst! Ein amerikanischer Tourist im Februar in Leningrad? Ich sag’ Ihnen, Kramer, da ist was faul…«
    Walther Kramer, ein fünfundvierzig Jahre alter, kurzer, stämmiger Balte aus Litauen, der sich mit der Geschmeidigkeit und Geräuschlosigkeit einer Katze bewegte, glaubte ihm kein Wort. Als Papanins Assistent konnte er sich im Gespräch mit seinem Chef ein Minimum an Freiheit herausnehmen. Vorsichtig meldete er seine Zweifel an.
    »Gibt es wirklich einen Grund zu der Annahme, daß der Amerikaner mehr ist als das, was in seinem Paß steht…?«
    »Sind Sie noch nicht fort?«
    Nachdem der Balte das Zimmer verlassen hatte, stand Papanin auf und ging zum Fenster hinüber. Dann zog er sein Reise-Schachspiel aus der Westentasche und betrachtete es. Während er sich über das winzige Schachbrett beugte, hob sich sein glattes, knochiges Gesicht von dem bereiften Fenster ab. Um acht Uhr morgens war es draußen noch dunkel. Eiliges Tappen auf dem Kopfsteinpflaster drang zu ihm hinauf; Menschen auf dem Weg zur Arbeit. In der Ecke hinter ihm stand ein uralter, grüner Kachelofen, den er eben erst angemacht hatte. Die Wärme hatte sich noch nicht im ganzen Raum verbreitet. Im Zimmer nebenan rasselte pausenlos der Fernschreiber modernster amerikanischer Bauart, aber Papanin wärmte sich an einem Ofen, der so alt war wie die Revolution selbst.
    Es war die Judenfrage, die Papanins Argwohn gegenüber Winthrop geweckt hatte. Die Judenfrage war ein weiterer Grund, weshalb Leonid Breschnew froh war, daß er Papanin nach Leningrad geschickt hatte. Neben all seinen anderen Aufgaben hatte Papanin außerdem herauszufinden, wie Geld ins Land geschmuggelt wurde, um Juden zur Emigration nach Israel zu verhelfen.
    Er betrachtete das Schachbrett und begleitete seine Gedanken mit einem Brummen. Winthrop hätte ein Kurier sein können, ein Verbindungsmann zum jüdischen Untergrund. Er würde Winthrop – obwohl er bereits tot war – auf Herz und Nieren prüfen. Wortwörtlich auf Herz und Nieren. Deshalb hatte der Sibirier eine Obduktion der Leiche angeordnet. Er runzelte die Stirn, entschied sich für einen Zug und zog einen Bauern vor.
    Er war sicher, daß er recht hatte: Irgend etwas an diesem Mr. Harvey J. Winthrop war in der Tat sehr ungewöhnlich. Um acht Uhr am Samstagmorgen hatte Papanin noch keine Ahnung, daß er das Geheimnis um Winthrop lüften mußte, bevor Michael Gorow am Sonntag um Mitternacht von Nordpol 17 flüchten würde.
    In Washington war es erst Freitag, Mitternacht. Beaumont lag noch im Schlafwagen des Florida-Expreß. Auf dem sowjetischen Stützpunkt Nordpol 17 war es erst vier Uhr morgens, und Michael Gorow war erst kürzlich aus Murmansk eingetroffen.
    Michael Gorow, vierzig Jahre alt, Mitglied der sowjetischen Akademie der Wissenschaften und der hervorragendste Meeresforscher der Sowjetunion, war fast krank vor dem Streß, vom Warten, vom Zählen der Stunden bis Sonntag.
     
     
    Um vier Uhr morgens stand er im Mondlicht am Rande der frisch geräumten Landebahn, die die Eisinsel Nordpol 17 in zwei Hälften teilte. Absichtlich schaute er nach Osten statt nach Westen, wo vierzig Kilometer entfernt der amerikanische Stützpunkt Target 5 lag. Jenseits der Insel glitzerte im Mondlicht das aufgewühlte Packeis wie ein wüster, endloser Berg aus zerschmettertem Milchglas. Hinter ihm lagen die Hütten, die den Stützpunkt bildeten. Die flachen Dächer waren hoch mit Schnee bedeckt. Aus dieser Richtung hörte er jetzt Schritte. Es war Nikolai Marow, der Sicherheitsbeamte. Marow trat nah heran und

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