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Target 5

Target 5

Titel: Target 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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betrachtete den gebeugten Rücken des Meeresforschers. »Fühlen Sie sich nicht wohl, Akademiker Gorow?« erkundigte er sich.
    »Selten so wohl gefühlt.«
    »Sie sind so früh auf«, beharrte der Sicherheitsbeamte.
    »Ich bin immer früh auf –, das sollten Sie inzwischen wissen.«
    Gorow ließ absichtlich seine Gereiztheit durchblicken, und seine Taktik hatte den gewünschten Erfolg. Marow murmelte etwas und trottete zu den Baracken zurück. Gorow ballte die Fäuste in seinen Manteltaschen: Marow würde wahrscheinlich ein Problem für ihn bedeuten, denn immer, wenn er sich aufs Packeis wagte, schloß Marow sich ihm an. Da war noch ein Grund, weshalb Gorow sich erlaubte, seine Gereiztheit zu zeigen: Er war soweit, daß er den Anblick eines Sicherheitsbeamten nicht mehr ertragen konnte. Oberst Papanins Sicherheitsdienst war verantwortlich für den Tod von Rachel Lewitzer vor sechs Monaten.
    Bei der Erinnerung an sie füllten sich Gorows Augen mit Tränen. Sie waren inoffiziell verlobt. Da sie Jüdin war und er ein bedeutender Akademiker, hatten sie ihre Verbindung geheimgehalten. Dann, im August 1971, hatte ihn die Nachricht erreicht, daß Rachel in Leningrad gestorben war.
    Der Sicherheitsdienst wollte sie in ihrer Wohnung verhaften: stand im Zusammenhang mit der jüdischen Untergrundorganisation – Gorow hatte nie Einzelheiten erfahren –, aber Rachel hatte versucht zu fliehen. Dabei hatte ein Sicherheitsbeamter ihr ein Bein gestellt, und sie war eine Treppe mit dreißig Steinstufen hinuntergestürzt. Sie war sofort tot. Genickbruch.
    Gorow sah auf seine Uhr. Vier Uhr zehn ihrer Zeit. Noch zwanzig Stunden, bis er sich in einem verzweifelten Versuch, Target 5 zu erreichen, über das Packeis absetzen würde. Der Zeitplan war lebenswichtig. Die Amerikaner hatten ihn wissen lassen, daß er den Zeitpunkt seiner Flucht selbst bestimmen und unbedingt daran festhalten mußte.
    Gorows Plan war, Nordpol 17 genau um Mitternacht zu verlassen. Er fragte sich, wie er, unter dem Vorwand, mit seinen Tiefenmessungs-Experimenten beschäftigt zu sein, die nächsten zwanzig Stunden überstehen würde. Aber es gab wenigstens einen Trost: Sein Bruder Peter würde zu diesem Zeitpunkt die Nachricht schon weitergegeben haben. Die Amerikaner wußten schon, wann er kommen würde.
    ›Die Lokomotive ‹ lief bereits auf Volldampf. Schon um elf Uhr am Samstagmorgen waren im Hauptquartier des Sicherheitsdienstes alle Zeugen verhört worden – von Papanin höchstpersönlich. Er hatte die Intourist-Reiseleiterin, Madame Vollin, gesprochen – »… ein widerliches Weib. Außerdem hatte sie einen ekelhaften Mundgeruch. Ich weiß nicht, wie Winthrop das ausgehalten hat…«
    Sehr viel länger hatte er sich mit dem Polizisten beschäftigt, der den Unfall beobachtet hatte. Er hatte das Personal des Hotels Europa befragt und den Beamten am Flughafen, der Winthrops Ankunft aus Helsinki vor fünf Tagen registriert hatte. Nichts hatte er erfahren, was auch nur im geringsten verdächtig schien.
    »Ich habe das Gefühl, wir jagen Gespenstern nach«, bemerkte Kramer, als der Flughafenbeamte verhört war. »Es gibt kein einziges Indiz, das diesen Winthrop mit den Juden in Verbindung brächte.«
    »Irgend jemand steckt ihnen Geld zu – das wissen wir. Und irgend etwas an Winthrop ist immer noch faul.« Mit einem Satz sprang der Sibirier hinter seinem Schreibtisch auf und begann im Zimmer hin und her zu marschieren. »Fünf Tage lang ist er schön brav – besucht die Eremitage und guckt sich die Rubens an, immer mit seinem Kindermädchen, diesem Weib Vollin. Und was passiert gestern?« Papanin bückte sich, hob das Stocheisen auf und fing an, das Innere des Ofens zu attackieren, indem er die glühenden Kohlen auf dieselbe Art aufrüttelte, wie er Menschen aufzurütteln pflegte.
    »Er stirbt bei einem Verkehrsunfall…«
    »Vorher! Er gibt seine Gewohnheiten auf, Kramer – er erzählt der Reiseleiterin, er sei müde und gehe nicht mehr aus.« Er bohrte das Stocheisen tief in den Ofen. »Sobald sie ihm den Rücken zudreht, schlüpft er auf eigene Faust wieder hinaus – obwohl es ^fast schon dunkel ist. Warum, Kramer, warum wohl?«
    »Er fühlt sich besser. Er geht zurück zur Eremitage.«
    »Obwohl das Museum schon um vier schließt? Er wäre gerade noch rechtzeitig zur Schließung des Musems gekommen! Warum ist er auf eigene Faust ausgegangen?«
    »Um jemanden zu treffen…«, Kramer antwortete ganz beiläufig, nur um etwas zu sagen. Der Sibirier griff

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