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Target 5

Target 5

Titel: Target 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Eine vorzeitige Abreise könnte sie argwöhnisch machen. Der tatsächlich verstauchte Knöchel war Grund genug, schon den Samstagflug der Finnair nach Helsinki zu nehmen. Dann konnte die Nachricht an Dawes in Washington weitergegeben werden, einen Tag bevor Gorow von Nordpol 17 flüchten würde.
    Als Winthrop auf den Newski-Prospekt humpelte, begann es zu schneien. Automatisch überblickte er die Situation auf der Straße und bemerkte, daß der junge Mann in der Lederjacke sich immer noch mit seinem Mädchen zankte. Sie müssen verliebt sein, sagte er ironisch zu sich selbst. Es war kein Verkehr. Er hatte sich nicht nach dem Polizisten umgesehen, als er auf die Straße trat.
    Wahrscheinlich war der frische Schneefall der Grund für das, was jetzt passierte. Dem jungen Mann in der Lederjacke war es wohl zu kalt geworden, und das Schneetreiben hatte dem Streit ein Ende gemacht. Er setzte sich hinter das Steuer seines Wagens, das rothaarige Mädchen kletterte neben ihn auf den Beifahrersitz. Der junge Mann drehte den Zündschlüssel, ließ den Motor aufheulen und jagte los wie eine Rakete. Dann erst fiel ihm ein, das Licht einzuschalten.
    Trotzdem hätte Winthrop noch beiseite springen können, hätte er das Humpeln nur vorgetäuscht; aber der Wagen heulte ihm schon entgegen, als die Scheinwerfer aufleuchteten und ihn blendeten. Im Strahl der Scheinwerfer schoß Winthrops humpelnde Gestalt dem Wagen entgegen, bis sie die Windschutzscheibe völlig ausfüllte, dann wurde er von der Kühlerhaube hochgeworfen und einige Meter weitergeschleudert. Mit der Wucht eines Sturzes aus großer Höhe schlug er krachend auf dem Bordstein auf. Er war tot, bevor das Auto um die nächste Ecke brauste. Eine Frau auf dem Bürgersteig schrie auf.
    Hundert Meter weiter auf dem Newski-Prospekt war Gorow stehengeblieben, um die Allee zu überqueren. Er sah Winthrop über die Straße humpeln, sah, wie der Wagen ihn traf und wie sein Körper durch die Luft wirbelte, bevor er aufschlug; und er wußte, daß der Amerikaner tot war. Er überquerte die Allee und setzte seinen Weg zu den Docks fort, wo der Trawler Girolog in drei Stunden auslaufen sollte.
    Gorow ging wie in Trance, konnte kaum fassen, was gerade geschehen war. Es war die totale Katastrophe: Die Nachricht würde Washington nie erreichen, und nun gab es keine Möglichkeit, seinen Bruder zu warnen. Michael würde den Weg über das Eis antreten, und die Amerikaner würden nicht einmal wissen, daß er kam. Niedergeschmettert ging Gorow durch den Schnee weiter; seine Füße nahmen wie im Traum die vertraute Strecke. Mein Gott, was konnte er tun?
     
     
    Samstag, 19. Februar
     
    Im Leningrader Hauptquartier des Staatssicherheitsdienstes war es gerade Samstagmorgen acht Uhr.
    »Dieser Amerikaner, der Winthrop, der gestern auf dem Newski umgekommen ist – ich habe so ein komisches Gefühl, daß etwas dahintersteckt…«
    Die Lokomotive – das war der Spitzname des Oberst Igor Papanin in Leningrad – war der Chef der Sicherheitsbehörde für besondere Aufgaben für den arktischen Militärbereich. Die Definition von Lokomotive laut Lexikon – sich von der Stelle bewegende Kraftmaschine – traf als Beschreibung Oberst Papanins den Nagel auf den Kopf. Viele stellen sich bei dem Wort eine riesige Maschine vor, die mit großer Geschwindigkeit Hunderte von Leuten mit sich reißt – auch das traf auf den Sibirier zu.
    »Ich will einen ausführlichen Bericht, Kramer! Schaffen Sie mir dieses verfluchte Kindermädchen vom Intourist her, Vollin, oder wie sie heißt! Und den Polizisten, der es beobachtet hat. Treiben Sie irgendwelche weiteren Zeugen auf, und führen Sie sie mir bis zwölf Uhr vor. Ich werde sie selbst vernehmen.«
    Strenggenommen hätte das Hauptquartier der Sicherheitsbehörde für die Arktis in der Hafenstadt Murmansk sein müssen, aber als Leonid Breschnew, der Erste Sekretär der KPdSU, Papanin auf diesen Posten berief, hatte er das Hauptquartier nach Leningrad verlegen lassen. Auch dies war ein Zeichen von Macht.
    Wie Hamburg in Deutschland und Quebec in Kanada, nahm Leningrad in Rußland die Stelle eines Außenseiters ein. Es war die Stadt Leningrad, in der der Kommunismus geboren wurde, als der Kreuzer Aurora mit Kanonendonner die Revolution verkündete. Da Stalin die Selbständigkeit der Stadt fürchtete, hatte er den Unterdrücker nach Leningrad geschickt, auf den er sich am meisten verlassen konnte: Kirow – und Kirow starb durch die Kugel eines Attentäters. Also

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