Target 5
bei und spähte nach vorn: außer der flachen Eisdecke nichts zu sehen. »Schön zurechtgelegt – dieser Plan von Mr. Callard«, fuhr Beaumont fort. »Er hat nur vergessen, das ›Krokodil‹ einzukalkulieren.«
»Was ist denn passiert?«
»Ich nehme an, Tillotson hatte eine leise Ahnung, daß man Verdacht schöpfte – schließlich war er der Sicherheitschef. Natürlich mußte er sich über den Alarmzustand wundern. Als nächstes erfährt er vom Piloten, daß Callard in letzter Minute in Washington an Bord gegangen war, ohne daß man Tillotson ein Wort davon gesagt hatte. Folglich denkt er, ist es höchste Eisenbahn für ihn. Ich glaube nicht, daß irgend jemand vermutet hat, daß er eine Sikorsky fliegen kann…«
»Da drüben! Richtung Norden…« Grayson zeigte mit dem Finger nach links, und Beaumont schaute hinüber. Nichts als Eis, trostlos, kalt und schrecklich öde. Dann sah er etwas. Tillotsons Maschine war schätzungsweise fünfzehn Kilometer entfernt.
Ein Schatten, ein kleiner dunkler Punkt huschte über den Schnee.
Sekunden später machte er die Maschine aus, die den Schatten warf. Er änderte die Richtung.
»Warum sollte unser Leben davon abhängen, daß wir Tillotson aufhalten?« fragte Grayson gelassen.
Beaumont brummte, während er auf denselben Kurs ging, den Tillotson flog. »Diesmal könnte es ganz schön wüst werden, Sam, du brauchst also nicht mitzukommen. Wir müssen einen sowjetischen Wissenschaftler aus Target 5 herausholen. Er kommt von Nordpol 17 über das Eis; das liegt im Moment etwa vierzig Kilometer östlich von Target 5 über das Packeis. Wir werden gebraucht, falls Target 5 von Nebel eingeschlossen werden sollte und kein Flugzeug landen kann. Das würde bedeuten, daß wir per Hubschrauber mit Schlitten bis an den Rand des Nebels geflogen werden; der restliche Weg wäre Schlittenfahrt.«
»Und mit Schlitten zurück – den ganzen Weg bis Grönland?«
»Ich glaube schon. Dawes ist anderer Meinung. Er hofft, uns wieder auflesen zu können, sobald wir aus dem Nebel raus sind. Ich bezweifle, daß sie uns finden werden. Also werden wir die ganze Strecke bis zur Küste mit den Schlitten zurücklegen müssen. Das ist jedenfalls die offizielle Version. Ich habe da eine andere Vorstellung. Und die russische Sicherheitstruppe wird uns auf den Fersen sein. Wirklich eine wüste Sache, Sam.«
»Aber nirgends ist Nebel.«
»Dann sitzen wir eben herum und lassen es uns auf Kosten der amerikanischen Armee schmecken. Der entscheidende Tag könnte Sonntag sein – morgen. Ich habe zwei Sikorskys für uns in Curtis Field an der Küste bereitstellen lassen.«
»Tillotson fliegt genau nach Norden«, unterrichtete ihn Grayson. Der Amerikaner benutzte jetzt ein Nachtfernglas, das er in der Kanzel gefunden hatte; der Schatten der Maschine des Sowjetagenten war immer noch klarer zu erkennen, als die Maschine selbst. Ohne den Schatten, dachte Grayson, hätten sie ihn schon längst verloren. Beaumont warf einen Blick auf den Kompaß. Genau Nord – wie Sam gesagt hatte.
»Ich schätze, er steuert auf den Humboldt-Gletscher zu«, erwiderte Beaumont. »Warum wohl? Wäre er direkt östlich geflogen, hätte er die Küste erreicht. Diese Maschinen stehen immer voll getankt bereit, also hätte er genug Treibstoff. Was zum Teufel hat er auf dem Humboldt-Gletscher verloren?«
»Warum ist der Mann so wichtig?« fragte Grayson zum zweitenmal.
»Weil er zuviel weiß«, sagte Beaumont knapp. »Er weiß nichts von Gorow, dem Mann, den wir herausholen sollen. Niemand hier wußte etwas davon bis zu meiner Ankunft. Aber er weiß von den Vorbereitungen für ein Unternehmen. Er weiß, daß Curtis Field damit zu tun hat. Das ist der nächste Flugplatz von Target 5 aus. Das mußte er wissen, weil wir die Maschinen dorthin schicken wollten. Ich hoffe nur, daß er keinen Sender dort oben versteckt hält, mit dem er, wenn wir ihn nicht rechtzeitig erwischen, nach Leningrad funken könnte. Wenn er das schafft, Sam, dann können wir unser Testament machen.«
Der atemberaubende Anblick des Humboldt-Gletschers entfaltete sich vor ihren Augen, als sie näher flogen. Vom Nährgebiet des Gletschers aus zog sich ein ausgedehnter, Hunderte von Metern breiter Eisstrom weit hinab zum Fjord – ein Eisstrom, der im Mondlicht glitzerte wie eine weite Fläche zertrümmerten Kristalls. Eine lange Strecke fiel er steil ab, bis er zum Eisfall wurde und über hundert Meter über einen gewaltigen Felsen hinabstürzte. Als sie näher
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