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Target 5

Target 5

Titel: Target 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Sicht. Die Kuppe verbarg ihn.
    Weiter unten, wo der Gletscher stark zerklüftet war, wurde es noch viel gefährlicher. Spalten, deren Tiefe man nur erahnen konnte, dunkel klaffende Risse, verloren sich in ihren eigenen Schatten. Er kam jetzt langsamer vorwärts, da er vorsichtig von einer Eisrippe auf die andere treten mußte, die zwischen den schmalen Spalten hochragten. Dabei benutzte er den Karabiner als Stütze. Die ganze Zeit über war er darauf gefaßt, daß er ausrutschen würde. Die beißende Kälte machte die Sache auch nicht einfacher. Beaumonts Widerstandsfähigkeit gegen niedrige Temperaturen war phänomenal – wahrscheinlich weil er seine Jugend in Coppermine verbracht hatte. Aber er trug noch nicht die für arktisches Klima geeignete Kleidung. Die Kälte drang bereits durch seine Handschuhe und durch den Parka und kroch in den Beinen hoch.
    Er war dem Hügel jetzt sehr nah und benutzte den Karabiner nicht mehr als Stütze, sondern hielt ihn schußbereit. Zum drittenmal innerhalb einer Minute schaute er auf. Tillotson tauchte von der anderen Seite des Hügels auf, eine große, pelzbekleidete Gestalt, die irgend etwas in der rechten Hand hielt. Tillotson stand etwa sieben Meter über dem Engländer. Seinen Arm streckte er rückwärts zum Wurf aus. Einen furchtbaren Augenblick lang, der ihm wie eine Ewigkeit erschien, dachte Beaumont, er würde eine Handgranate werfen. Er riß den Karabiner hoch, das Geschoß flog auf ihn zu, schlug vor ihm auf dem Eis auf – und prallte ab. Ein Stein. Blitzartig erfaßte Beaumont, daß Tillotson keine Waffe mehr hatte.
    Er hatte entweder erstaunlich gut gezielt oder verdammtes Glück. Der Stein prallte vom Eis ab auf Beaumonts rechtes Bein zu. Er sprang zur Seite. Der Stein verfehlte ihn. Dann verlor er das Gleichgewicht, fiel hin und glitt wie ein Schlitten den Gletscher hinab – auf den Rand des Eisfalls zu.
    Der Karabiner war weg. Er schlitterte seine eigene Bahn, war schneller als er und schoß über den Eisfall, währen Beaumont auf dem Bauch rutschte und verzweifelt versuchte, abzubremsen, irgendeinen Halt zu finden, eine Ritze, in die er seinen Fuß rammen könnte. Und während die schneidende Luft ihm ins Gesicht schlug und der Gletscher unter ihm vorbeiraste, dachte er schaudernd daran, daß er jeden Augenblick, anstatt weiterzuschlittern, plötzlich in die Tiefe stürzen könnte, daß er einen Halt in einer Gletscherspalte finden würde. Die Talfahrt ging weiter. Er glitt jetzt über die glattpolierte Oberfläche eines Hanges mit einer Neigung von etwa dreißig Grad. Der Parka schützte seinen Körper vor der Reibung und dem Schürfen des Eises; aber immer noch stürzte er mit zunehmender Geschwindigkeit abwärts. Mit seinen Handschuhen hämmerte er auf das Eis, die Schuhspitzen versuchte er einzurammen, aber er konnte die teuflische Fahrt nicht aufhalten.
    Der Rand des Eisfalls, eine Gerade, hinter der nichts mehr war – nichts als ein Steilabhang von mehr als hundert Metern –, raste ihm entgegen, und immer noch konnte er nicht abbremsen, geschweige denn zum Stillstand kommen. Er hatte die perfekte Handlung für einen Kunstsprung über den Abgrund. Er stemmte seine Unterarme fest ein, erreichte den Rand und mußte im nächsten Augenblick hinübergleiten. Endlose, gähnende Leere und Tiefe unter ihm – und irgend etwas Kantiges. Sein linker Arm berührte den Felsen, einen großen, im Gletscher eingebetteten Brocken.
    Es war reiner Reflex – sein Arm hakte ein und fand Halt an dem Felsen. Der momentane Ankerpunkt diente nur als Drehpunkt vor dem Sturz in den Abgrund. Sein flach auf dem Boden ausgestreckter Körper schwenkte nach links, glitt über den Rand. Seine linke Hand fühlte einen Vorsprung im Felsen, seine behandschuhten Finger krallten sich fest. Das Gewicht seines Körpers und der Schwung rissen ihm fast den Arm aus. Dann hing er reglos über dem Abgrund, gehalten nur von einer Hand und einem gekrümmten Arm, sein Körper schwebte im leeren Raum.
    Für den Bruchteil einer Sekunde sah er unter sich das Nichts, den steilen Eisfelsen, der tief und tiefer abfiel, und am Boden das ausgedehnte Eisfeld, aus dem riesige Eisnadeln herausragten. Er zwang sich, nach oben zu schauen, konzentrierte seine letzte Energie darauf, sich festzuhalten und sich über den Rand des Eisfalles zurückzuschwingen. Mit dem rechten Arm umschlang er den Felsen, fühlte seine suchenden Finger die andere Hand berühren. Er krallte seine Hände ineinander. Erst dann schaute er

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