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Target 5

Target 5

Titel: Target 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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an dem Felsen vorbei den Gletscher hinauf. Tillotson kam auf ihn zu.
    Es war entsetzlich still – bis auf das Knirschen der Spikesstiefel, die sich in das Eis bohrten. Beaumonts Gesicht verzog sich: Tillotson trug Stiefel mit Eisspornen, die ihm einen sicheren Abstieg ermöglichten. Wo zum Teufel hatte er sie her? Er mußte sich die Stiefel im Jeep bereitgelegt haben; er mußte seine Flucht von Thule geplant haben, noch bevor die Boeing 707 gelandet war. Und in weniger als dreißig Sekunden würde der Amerikaner ihn erreicht haben. Zu spät für einen Versuch, über den Rand zurückzuklettern. Einen Augenblick lang schien Beaumonts Sehkraft zu schwinden – aus dem sich nähernden Tillotson wurden zwei Männer. Beaumont blinzelte. Die Vision löste sich auf zu einem einzelnen Mann, einem Mann mit einem Messer in der rechten Hand. Tillotson war schon ganz nah, als Beaumonts Kopf zur Seite fiel und seine rechte Hand ihren Halt verlor.
    Sein rechter Arm hing erschlafft und kraftlos hinter dem Felsen. Das Zerren in seinem linken Arm war beängstigend, fast unerträglich, und seine Kleider unter dem Parka waren schweißnaß. Tillotson blieb etwa einen Meter vor dem Felsen stehen und stellte fest, daß er ihn von dort mit dem Messer nicht erreichen konnte. Nach zwei weiteren kurzen, vorsichtigen Schritten ließ er sich in Sitzstellung hinter dem Felsen nieder, hob seinen rechten Fuß und zielte mit den Eisspornen nach der Hand des Engländers. Die Spikes waren einen halben Zoll lang und eisverkrustet. Er holte aus, um mit voller Kraft die Spikes in den Handschuh zu stoßen.
    In diesem Augenblick schnellte Beaumont seinen rechten Arm über den Felsen, umklammerte Tillotsons Fußgelenk und wuchtete es mit äußerster Anstrengung zur Seite. Die Spikes streiften Beaumonts linke Hand, Tillotson verlor das Gleichgewicht. Er kam ins Rutschen. Sein Körper schlitterte um die andere Seite des Felsens, wobei seine Hände fieberhaft nach einem Halt suchten. Seine Finger krallten sich in den Felsen, fanden einen Halt, und er glaubte sich gerettet. Beaumonts rechte Hand schlug noch einmal zu, diesmal mit der geballten Faust. Mit brutaler Gewalt schmetterte er sie auf das Nasenbein des Amerikaners. Tillotson brüllte auf, verlor erneut das Gleichgewicht und rutschte über den Rand des Eisfalls. Der Schrei hallte zurück den Eisfall herauf, ein langgezogener Schrei, der abrupt endete. Beaumont begann, sich zurück über den Rand zu ziehen.
    Als er auf der anderen Seite des Felsens angelangt war, brach er zusammen. Er war noch bei Bewußtsein, aber kaum fähig, sich zu bewegen. Er lehnte sich gegen den Felsen und massierte müde seinen linken Arm. Mühsam kniete er sich hin und blickte über den Felsen in die Tiefe hinab. Tillotson war auf makabre Weise gestorben. Sein Körper steckte auf der Spitze einer der unzähligen Eisnadeln, in der Mitte aufgespießt.
     
     
    »Du kannst uns zurückfliegen, Sam.«
    Beaumont sackte im Beobachtersitz neben Grayson zusammen, der ihn fragend ansah. »Er hatte tatsächlich ein Funkgerät«, fuhr er fort. »Und zwar eins mit ziemlich großer Reichweite. Natürlich ›Radio Corporation of America‹, für den Fall, daß irgend jemand es gefunden hätte, was allerdings unwahrscheinlich gewesen wäre. Er hatte es in einem Eskimograb versteckt, und niemand würde darin herumschnüffeln. Fliegen wir los! Vandenberg kann jemanden schicken, das Funkgerät abzuholen.«
    »Hat er gesendet?« fragte Grayson.
    »Ich bin sicher, irgend etwas hat er gesendet. Vielleicht hat er nicht allzuviel Zeit gehabt. Die Nachricht könnte verstümmelt sein. Er muß sie verschlüsselt haben, bevor er Thule verließ.«
    »Das werden wir wahrscheinlich nie erfahren.«
    Beaumont sah Grayson an. »Und ob wir das erfahren werden! Spätestens dann, wenn die russische Sicherheitstruppe uns auf dem Eis einen warmen Empfang bereiten wird.«
     
     
    Samstag, 19. Februar
     
    »Ich weiß, warum Winthrop nach Leningrad gekommen ist. Ihre Gespenster sind inzwischen ganz schön lebendig geworden, Kramer!«
    Samstagabend, acht Uhr – acht Stunden bevor Michael Gorow sich von Nordpol 17 abzusetzen plante, war Papanin noch in seinem Büro. Sein Zimmer war die reinste Hölle. Der grüne Kachelofen ließ den Raum und die Anwesenden schmoren. Der Sibirier liebte extreme Temperaturen. Er liebte sie seit seiner Kindheit in Omsk; wo die entsetzliche Kälte im Winter ihn geradezu in Schwung gebracht hatte, während sie jeden anderen lähmte.

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