Target 5
brachen sie auf, Beaumont an der Spitze. Nach fünf Minuten drehten sie in einem Winkel von neunzig Grad ab und lenkten die Hunde südlich, weg von dem großen, flachen Eisgürtel, wo das Fahren soviel leichter gewesen wäre. Mehr als zwei Stunden fuhren sie über Eis, das von Schluchten und Eisrücken durchzogen war, durch die sie sich hindurchschlängeln mußten. Dann hielt Beaumont zu einer kurzen Pause an. Grayson funkte das Signal auf der vereinbarten Wellenlänge, das Signal, auf das Dawes in Curtis Field wartete.
»Oxygen… Strongbow… Oxygen… Strongbow…«
Fünf Minuten lang wiederholte er immer wieder das Signal, bevor Curtis Field bestätigte. Fünf Minuten waren zu lang, denn das könnte den sowjetischen Abhörfunkern auf Nordpol 17 genügen, um ihre Position festzustellen. Aber der Funkspruch mußte durchgegeben werden. ›Strongbow‹ informierte Dawes darüber, daß sie Michael Gorow bei sich hatten; ›Oxygen‹ sagte ihm, daß sie in südlicher Richtung fuhren. Grayson schob die Antenne des Funkgeräts zusammen und blickte in den Himmel.
»Seit zwei Stunden keine russischen Flugzeuge«, meldete er.
»Und auch keine amerikanischen. Die Piloten von Curtis sind wohl nach Hause gefahren. Hoffentlich nicht die Elroy .«
»… dringend, in das Eisfeld vorstoßen. Mögliches Zusammentreffen. Kein Risiko scheuen. Wiederhole. Kein Risiko scheuen.«
Fregattenkapitän Alfred Schmidt von der US-Marine, Kommandant des 6515-Tonnen-Eisbrechers Elroy, gefiel die Anweisung, die er vor drei Tagen aus Washington erhalten hatte, noch immer nicht. Je mehr er darüber nachdachte, um so weniger behagte ihm der letzte Teil des Funkspruchs. »Kein Risiko scheuen…« Ging man denn zum Teufel noch mal nicht ohnehin schon jedes Risiko ein, wenn man sich in diesen Gewässern befand? War man erst genug Risiken eingegangen, wenn das Schiff unterging, da es zu schwer mit Eis überkrustet war oder weil es gerade auf einen Eisberg aufgelaufen war? Schmidt war dreiundvierzig Jahre alt, einen Meter fünfundachtzig groß, breitschultrig und hatte dichtes dunkles Haar und dichte dunkle Augenbrauen. Sein Gesichtsausdruck war gleichbleibend düster, um nicht zu sagen grimmig. Er lächelte nur in Augenblicken höchster Gefahr. Darauf ging der Trinkspruch der Matrosen zurück, den sie in einer Bar in Milwaukee gebrauchten, dem Heimathafen der Elroy, wenn sie ihr letztes Bier tranken: »Auf daß der Kapitän nicht lächelt – bis wir den nächsten Hafen anlaufen.«
»Möchten Sie sich das ansehen, Kapitän?« Vance Carlson, der Steuermann, trat einen Schritt von dem Radarschirm zurück und schlug den Kragen seines Mantels hoch. Die obere Brücke der Elroy war zwar beheizt, aber irgend etwas schien mit dem Aggregat nicht in Ordnung zu sein. Vielleicht lag es an den arktischen Wetterbedingungen draußen, die eine Mannschaft ständig damit beschäftigten, das Eis über die Reling zu schaufeln. Das Eis schien sich ebenso schnell zu bilden, wie die Männer es in die schollenübersäte See werfen konnten.
Kapitän Schmidt sah sich den Radarschirm nicht gern an, tat es jetzt aber doch. Als er vor drei Stunden durch die Gummimanschette gesehen hatte, waren vereinzelte Echos auf dem Schirm zu erkennen gewesen, die nordöstlich bis nordwestlich lagen. Sie zeigten kleine Schiffe an. Er starrte hinein und beobachtete den Abtaststrahl, der in dem grünlichen Leuchten in der Manschette erbarmungslos kreiste. Die Punkte waren jetzt nicht mehr vereinzelt; statt dessen erschien ein dichtes, ungebrochenes Muster von Echoanzeigen, das sich über den ganzen Bildschirm erstreckte.
»Die Eisbarriere«, bemerkte Carlson unnötigerweise. »Direkt vor uns.«
Schmidt dachte wieder an den Schluß des Funkspruches, während er weiter in die Manschette schaute. Die Barriere. Der massive Wall aus Eis lag quer zu seinem Kurs. Die Motoren der Elroy arbeiteten schwer. Ihr verstärkter Bug schob große Eisschollen wie Spielbälle zur Seite. Sie steuerte direkt auf die gefürchtete Barriere zu, die sich von der Küste Spitzbergens bis nach Grönland erstreckte. Das Problem bestand darin, daß Schmidt eine Passage finden mußte, eine Stelle, wo das Eisfeld kaum über dem Meeresspiegel lag und wo er sich mit Hilfe des massiven Schiffsbugs einen Weg durch das Eis durchbohren konnte. Zum Glück zeigte ihnen das Radargerät alles an, was vor ihnen lag. Er betete, daß es keinen Nebel geben würde.
Zwei Stunden später trieb die drohende Gefahr von dem
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