Target 5
Rechtfertigung gegeben hätte, umzukehren und langsam heimwärts zu fahren, war es diese.
Auf Curtis Field hatte man das Codesignal ›Oxygen-Strongbow‹ empfangen und verstanden. ›Wir haben Gorow, und wir bewegen uns nach Süden, um auf die Elroy zu treffen.‹
Das war nicht die einzige Information, die Dawes bekommen hatte, als er in dem kleinen, ihm zur Verfügung gestellten Büro hin und her lief. Das Büro dampfte vor Hitze, die von drei Heizgeräten unter den Fenstern kam. Die Temperatur im Raum betrug zweiundzwanzig Grad. Adams Gesicht war von der Hitze gerötet. Er saß auf einem Stuhl gegen die Wand gekippt und sah Dawes zu.
»Das Eis westlich von Target 5 wimmelt von Russen«, brummte Dawes, während er an der kalten Zigarre kaute. »Hubschrauber kreisen über dem Eis, und Schlittengespanne bewegen sich auf dem Packeis – jetzt tauchen auch noch die Schneepanzer auf.«
»Sieht verdammt brenzlig aus«, sagte Adams.
»In Washington haben Sie gesagt, es wäre einfach«, erinnerte ihn Dawes. Er blickte auf, als Fuller, der Aufsichtsbeamte des Flughafens, in das Zimmer stürmte. »Es ist höchste Zeit, daß Sie kommen. Ich möchte, daß Sie eine intensive Luftüberwachung des ganzen Gebiets zwischen der Küste und Target 5 anordnen. Ein Drittel der Maschinen soll sich auf das Eis nördlich von Target 5 konzentrieren…« Er ging zu der Karte, die er mitgebracht und an die Wand geheftet hatte. »Hier – und hier.«
»Keine in den Süden?« fragte Fuller.
»Keine! Und die Überwachung muß ohne Unterbrechung laufen. Sie fliegen ab, kommen zurück, tanken auf und starten wieder…«
»Die Piloten haben ihre Grenzen«, wandte Fuller ein.
»Dann stellen Sie fest, wo diese Grenzen liegen – und gehen Sie darüber hinaus.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Adams, nachdem Fuller gegangen war. »Beaumont fährt nach Süden. Warum schicken wir die Maschinen nach Westen und Norden?«
»Wenn Sie es nicht verstehen, versteht es Papanin vielleicht auch nicht. Die Chancen, Beaumont in der polaren Wüste aus der Luft zu sichten, sind gleich Null – es sei denn, wir hätten großes Glück. Ich verlasse mich nicht auf Glück. Deswegen starte ich Täuschungsmanöver.« Dawes machte eine Pause, als das Rattern der Rotorblätter eines Hubschraubers am Fenster vorbeizog. »Papanin hat eine ganze Flotte von Hubschraubern, die das Eis absuchen. In einigen Stunden wird er von meiner Luftüberwachung Wind kriegen, und was wird er glauben? Daß ich Gorow suche – daß ich weiß, wo ich suchen muß. Er wird seine Maschinen aus dem Süden abziehen, und das wird Beaumont vielleicht eine Chance geben, aus Papanins Reichweite zu entkommen.«
»Es könnte klappen, nehme ich an…«
»Es wird klappen! Ich sende diesem verdammten Sibirier ein Signal – Beaumont geht nach Norden oder Westen!«
»Norden oder Westen?«
Papanin murmelte diese Wort vor sich hin, während er in der Hauptquartierbaracke auf Nordpol 17 auf sein Reiseschach starrte. Neben dem Schachspiel lag ein Buch auf dem Tisch. Es war die Seite aufgeschlagen, die die Züge des Fischer-Spassky-Wettkampfes in Santa Monica im Jahre 1966 beschrieb. Der Sibirier war stolz darauf, daß er dreierlei gleichzeitig tun konnte: sein eigenes Spiel spielen, das Spiel eines anderen studieren und eine Entscheidung für die gegenwärtige Operation treffen.
»Alle Maschinen sind in der Luft«, berichtete Kramer hinter ihm. »Sie konzentrieren sich auf die nördlichen und westlichen Zugänge zu Target 5 – abgesehen von den sechs Hubschraubern, die Ihrem Befehl zufolge zurückbleiben sollten.«
Nachdem der amerikanische Schneepanzer über die Rampe gestürzt war, hatten sie Target 5 einen zweiten Besuch abgestattet. Sie hatten die Insel verlassen vorgefunden. Niemand war mehr da – Papanin hatte keine Ahnung, daß zwei Männer, Rickard und Sondeborg, noch in dem Lager sein mußten. Der Sibirier hinterließ ein kleines Kommando, falls Gorow auftauchen sollte, und war dann direkt zu seiner eigenen Basis zurückgefahren. Bis er von Petrow die Mitteilung aus dem Leningrader Archiv bekommen hatte, war er etwas verwirrt gewesen.
»Die Beaumont-Truppe, von der wir dauernd reden, gibt es nicht«, bemerkte er, während er mit einem Bauern herumspielte.
Wir? Der Balte sagte nicht. Wenn alles gutging, redete Papanin stets in der ersten Person Singular. Wenn aber etwas schiefzugehen drohte, sprach er in der Mehrzahl, als ob der Sibirier ihn mit in die Patsche ziehen
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