Target 5
entscheidenden Augenblick den Halbkreis schließen und ihre Opfer umzingeln konnten. Beaumont rechnete mit dem Überraschungseffekt: am allerwenigsten würde der Zugführer erwarten, daß einer der gejagten Männer ihm in die Arme lief.
Er rannte leichtfüßig, verursachte so wenig Lärm wie möglich, während er der Schlucht mit ihren zahlreichen Biegungen folgte. Von seinem Ausguck oben auf dem Kamm hatte Beaumont sich den Verlauf dieser Schlucht gemerkt. Soweit er hatte sehen können, führte sie an einem ganz bestimmten Punkt auf das offene Eis hinaus. Der Eiskorridor lag teilweise im Schatten. Manchmal, wenn er um eine Ecke biegen mußte, lief er im Mondlicht. Als er in die Nähe der heranrückenden Russen kam, verlangsamte er sein Tempo. Während er noch rannte, hörte er das schwach surrende Schlagen des Hubschraubers, das durch die Eiswände gedämpft wurde. Der Pilot ging kein Risiko ein; offenbar ließ er den Motor laufen, aus Furcht, daß er in dieser Temperatur nicht wieder anspringen würde.
Beaumont bewegte sich jetzt nur noch sehr vorsichtig vorwärts. Im Schatten der rechten Wand kroch er gebückt weiter und merkte sich Nischen, in denen er sich verbergen konnte, sobald sie näher kamen – falls er sie rechtzeitig hörte. Beaumont versuchte nicht, sich vorzumachen, daß er es mit Amateuren zu tun hatte: Die sowjetischen Einheiten des Staatssicherheitsdienstes für besondere Aufgaben, die in der Arktis operierten, bestanden aus gut ausgebildeten Männern; sie waren daran gewöhnt, bei eisigen Temperaturen zu arbeiten. Aber sie waren nicht gewohnt, sich zu Fuß über das Packeis zu bewegen. Er hielt sein Gewehr in beiden Händen, als der pelzbekleidete Russe sehr leise um eine Ecke kam.
Beide Männer waren erschrocken; aber der Russe hatte nicht damit gerechnet, jemanden so nah beim Hubschrauber zu treffen. Er trug ein Schnellfeuergewehr über der Schulter, und er machte einen Fehler: Er versuchte, es herunterzuziehen. Beaumont reagierte automatisch und schwang das Gewehr in seinen Händen herum, so daß der schwere metallbeschlagene Kolben vor dem Gesicht des Russen schwebte. Er stieß ihn in Kopfhöhe nach vorn. Im letzten Augenblick riß der Russe seinen Kopf zur Seite, und der Kolben streifte nur sein Kinn; aber das genügte, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Seine Stiefel schlitterten über das Eis, er fiel rückwärts. Beaumont sprang auf ihn zu.
Der Russe schlug mit dem Hinterkopf auf das Eis. Der Schlag wurde durch die Pelzkapuze gemildert. Während er noch ausgestreckt auf dem Eis lag und seine eigene Waffe außer Reichweite war, packte er den rechten Stiefel des Engländers. Seine Hand war groß genug, um sein Fußgelenk zu umklammern. Er versuchte, Beaumont umzuwerfen. Aber Beaumont achtete nicht auf diese Gefahr, sondern konzentrierte sich auf das, was er tun mußte. Er holte weit aus und traf mit dem Gewehrkolben die Stirn des Russen. Die Wucht des Schlages war so stark, daß der Kolben zurückprallte. Die Hand, die Beaumonts Fußgelenk umklammert hielt, entspannte sich, der Kopf fiel zur Seite, und der Mann lag regungslos. Beaumont bückte sich und drehte ihn auf den Bauch. Die getroffenen Stellen – Kinn und Stirn – berührten jetzt das Eis. Wenn jemand ihn fand – falls man ihn überhaupt jemals fand –, würde es aussehen wie ein Unfall, wie wenn der Russe gestolpert und mit dem Gesicht nach unten auf den stahlharten Boden aufgeschlagen wäre.
Jetzt ging er ein noch größeres Risiko ein: Er begann wieder zu rennen. Er hatte ungefähr zwanzig Männer gezählt, die aus der Maschine ausgestiegen waren und sich über ein Labyrinth von Schluchten ausgebreitet haben mußten. Wahrscheinlich war vereinbart worden, daß, wenn einer von ihnen auf die Flüchtigen stieß, er einen Schuß abgeben sollte, um die anderen herbeizurufen. Er rannte immer noch, als er plötzlich um eine Ecke bog und ihm helles Licht entgegenströmte. Er hatte den Ausgang erreicht – das offene Eis lag vor ihm.
Das Donnern der Rotorblätter der wartenden Maschine hallte in der Schlucht wider und hämmerte in seinen Ohren; er sah die Maschine, kaum dreihundert Meter entfernt. Das Doppelheck zeigte in seine Richtung, das Cockpit in die andere. Er stand an der Stelle, die er sich von dem Kamm des Eisrückens eingeprägt hatte – in der Hoffnung, daß der Pilot die Maschine nicht umdrehen würde. Sie hatten keine Wache am Rand des Eises postiert. Das überraschte Beaumont nicht; wenn man zwanzig Männer
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