Tarzan 01 - Tarzan bei den Affen
da dies eines der unveräußerlichen Vorrechte der jungen Affen war, falls sie sich unter ihresgleichen nicht mehr wohl fühlten, behelligten sie Kala nicht länger, denn sie war ein schönes, wohlgebautes, junges Weibchen, und sie wollten sie nicht verlieren.
Als Tarzan heranwuchs, machte er schnellere Fortschritte, so daß er mit zehn Jahren als ausgezeichneter Kletterer galt, und auf dem Boden konnte er viele erstaunliche Dinge tun, zu denen seine kleinen Brüder und Schwestern nicht in der Lage waren.
Er unterschied sich in mancherlei Hinsicht von ihnen, und sie bewunderten oft seinen überlegenen Verstand, aber an Körperkraft und Größe stand er ihnen nach, denn mit zehn Jahren sind die großen Menschenaffen voll erwachsen und einige von ihnen über sechs Fuß groß, während der kleine Tarzan noch als kleiner Junge gelten konnte.
Aber was für einer!
Seit frühester Kindheit benutzte er seine Hände, um sich nach Art seiner hünenhaften Mutter von Ast zu Ast zu schwingen, und als er älter wurde, verwandte er viele Stunden des Tages darauf, mit seinen Brüdern und Schwestern durch die Baumwipfel zu jagen.
In schwindelerregender Höhe konnte er zwanzig Fuß durch die Luft zum nächsten Baumwipfel springen und mit unfehlbarer Genauigkeit und ohne erkennbaren Aufprall zugreifen, es sah aus, als wedle ein Ast auf der Bahn eines nahenden Tornados.
Er konnte sich zwanzig Fuß senkrecht von Ast zu Ast nach unten fallen lassen und mit der Leichtigkeit und Geschwindigkeit eines Eichhörnchens bis zur äußersten Spitze des imposantesten tropischen Baumriesen vordringen.
Obwohl erst zehn Jahre alt, war er ebenso kräftig wie der durchschnittliche Mensch mit dreißig und weit beweglicher, als der geübteste Sportler je werden kann. Und seine Körperkraft wuchs von Tag zu Tag.
Sein Leben unter diesen wilden Affen war glücklich, denn er kannte kein anderes, wie er auch nicht wußte, daß es im Universum noch etwas anderes gab als seinen kleinen Wald und die wilden Dschungeltiere, mit denen er vertraut war.
Erst mit zehn Jahren begann er, langsam zu begreifen, daß ein großer Unterschied zwischen ihm und seinen Spielgefährten bestand. Sein kleiner Körper, durch die Sonnenstrahlen braungebrannt, weckte bei ihm plötzlich ein tiefes Schamgefühl, denn er erkannte, daß er völlig unbehaart war wie eine Schlange oder ein anderes Kriechtier.
Er versuchte, dies zu verbergen, indem er sich von Kopf bis Fuß mit Schlamm bestrich, aber dieser trocknete und fiel ab. Außerdem fühlte er sich damit so unbehaglich, daß er schnell zu dem Entschluß kam, die Scham dem Unbehagen vorzuziehen.
In dem Hochland, das sein Stamm häufig aufsuchte, lag ein kleiner See, und hier erblickte Tarzan zum ersten Mal sein Spiegelbild im klaren, stillen Wasser einer Bucht.
Es war ein schwüler Tag in der Trockenzeit, so daß er und einer seiner Vettern zum Ufer gingen, um zu trinken. Als sie sich über die reglose Wasserfläche beugten, wurden ihre Gesichter widergespiegelt; die wilden und furchteinflößenden Gesichtszüge des Affen neben denen des aristokratischen Sprosses aus altem englischen Haus.
Tarzan war entsetzt. Nicht genug, daß er unbehaart war, dazu nun noch so eine Erscheinung! Er wunderte sich, daß die anderen Affen ihn überhaupt ansehen konnten.
Dieser winzige Schlitz von Mund und die kümmerlichen weißen Zähnchen! Wie jämmerlich wirkten sie neben den mächtigen Lippen und grimmigen Eckzähnen seiner glücklicheren Brüder!
Und die kleine, zerquetschte Nase! Sie war so dünn, daß sie wie verkümmert aussah. Er lief rot an, als er sie mit den prachtvollen, breiten Nasenlöchern seines Gefährten verglich. Was hatte der für eine beeindruckende Nase! Sie nahm fast die Hälfte seines Gesichts ein! Es muß bestimmt ein schönes Gefühl sein, so hübsch auszusehen, dachte der arme kleine Tarzan.
Aber als er dann noch seine Augen sah – gab ihm das den Rest! Winzige braune Punkte, graue Kreise und dann das blanke Weiß! Entsetzlich! Nicht einmal Schlangen hatten so häßliche Augen wie er.
Er war so mit der Eigenbewertung seiner Gesichtszüge beschäftigt, daß er nicht hörte, wie sich das hohe Gras hinter ihm teilte und ein großer Körper sich durch den Dschungel stahl. Sein Gefährte, der Affe, hörte auch nichts, denn er trank, und das Geräusch der schmatzenden Lippen und sein befriedigtes Gurgeln übertönten das leise Anschleichen des fremden Wesens.
Sie duckte sich keine dreißig Schritt hinter den
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