Tarzan 01 - Tarzan bei den Affen
an, daß die an Land Befindlichen die Signalschüsse vom Vortag wohl deshalb nicht gehört hatten, weil sie auf der Suche nach Jane Porter tief im Dschungel steckten, wo der von ihnen erzeugte Lärm, wenn sie durch das Unterholz brachen, das Krachen des fernen Kanonenschusses übertönt hatte.
Während die zwei Gruppen über ihre verschiedenen Abenteuer berichteten, kehrte das Boot des Kreuzers mit Verpflegung und Waffen für den Suchtrupp zurück.
Binnen weniger Minuten brach die kleine Truppe von Matrosen mit den zwei französischen Offizieren, Professor Porter und Clayton zu einer aussichtslosen und vom Unglück verfolgten Suche in den unwegsamen Dschungel auf.
Das Erbgut
Als Jane entdeckte, daß das seltsame Waldwesen, das sie den Klauen des Affen entrissen hatte, sie als Gefangene wegschleppte, versuchte sie verzweifelt, zu entkommen, aber die starken Arme hielten sie so leicht, als wäre sie ein kleines Baby, und umfaßten sie nur ein ganz klein wenig fester.
Da gab sie die nutzlosen Bemühungen auf, lag ganz still und betrachtete durch halb geschlossene Augenlider das Gesicht des Mannes, der so mühelos mit ihr durch das Gewirr des Unterholzes schritt.
Es war ein außerordentlich schönes Gesicht von vollendeter Männlichkeit, die nicht entstellt war durch Ausschweifung oder brutale oder degenerierende Leidenschaften. Denn obwohl Tarzan von den Affen Menschen und Tiere getötet hatte, hatte er dies getan, wie der Jäger tötet, leidenschaftlos, von wenigen, sehr seltenen Fällen abgesehen, wo er aus Haß getötet hatte – aber auch hier wieder nicht aus lange aufgestautem, böswilligen Haß, der dem Betreffenden häßliche Linien ins Gesicht kerbt.
Wenn Tarzan tötete, lächelte er häufiger, als daß er finster blickte, und Lächeln ist die Grundlage der Schönheit.
Etwas war dem Mädchen besonders aufgefallen, als sie ihn Terkoz angreifen sah – der deutlich sichtbare hellrote Streifen auf seiner Stirn, der sich vom linken Auge über den Kopf zog. Aber als sie seine Züge jetzt genauer ansah, fiel ihr auf, daß der Streifen nur noch als dünne weiße Linie zu erkennen war.
Da sie ruhiger in seinen Armen lag, hielt er sie nicht mehr so fest.
Einmal blickte er ihr in die Augen und lächelte, und sie senkte die Lider, um dem Anblick dieses schönen, einnehmenden Gesichts zu widerstehen.
Da schwang sich Tarzan in die Bäume hinauf. Jane wunderte sich, daß sie keine Angst hatte, und wurde sich bewußt, daß sie sich im ganzen Leben nie sicherer gefühlt hatte als jetzt in den Armen dieses starken, wilden Geschöpfes, das sie immer tiefer in die undurchdringliche Wildnis des unberührten Urwalds schleppte. Gott allein wußte, wohin und welchem Schicksal entgegen.
Wenn sie mit geschlossenen Augen über ihre Zukunft nachsann und ihre lebhafte Phantasie grauenvolle Bilder heraufbeschwor, brauchte sie nur die Augen aufzuschlagen und jenes edle Gesicht zu betrachten, das dem ihren so nahe war, und sofort schwanden die letzten Spuren von Besorgnis.
Nein, er konnte ihr kein Leid zufügen, davon war sie fest überzeugt, wenn sie daran dachte, wieviel Ritterlichkeit die schönen Gesichtszüge und der offene Blick bekundeten.
Immer weiter drangen sie in den Wald, der Jane wie eine feste Masse von Grün vorkam, dennoch schien sich vor diesem Waldgott immer wieder wie von Zauberhand ein Durchschlupf zu öffnen und sich zu schließen, sobald sie ihn passiert hatten.
Kaum ein Zweig kratzte sie, dennoch bot sich ihren Blicken über und unter, vor und hinter ihr nichts anderes als eine feste Wand unentwirrbar miteinander verflochtener Zweige und Schlingpflanzen.
Während Tarzan den Wald durchquerte, beschäftigten ihn viele neue und seltsame Gedanken. Er sah sich einem Problem gegenüber, wie es in seinem Leben bislang noch nie aufgetreten war, und fühlte mehr, als daß er verstandesmäßig erfaßte, daß er es nur als Mensch, nicht als Affe meistern konnte.
Er bewegte sich zumeist durch die oberen Baumwipfel vorwärts, und dieser Umstand führte dazu, daß sich die erste, wilde Glut der Leidenschaft angesichts der neuentdeckten Liebe etwas abkühlte.
Nun ertappte er sich bei der Überlegung, welches Schicksal der jungen Frau wohl zuteil geworden wäre, hätte er sie nicht vor Terkoz gerettet.
Er wußte, warum der Affe sie nicht getötet hatte, und fing an, seine Absichten mit denen Terkoz’ zu vergleichen.
Gewiß, es entsprach den Gesetzen des Dschungels, daß das Männchen sich
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