Tarzan 04 - Tarzans Sohn
erwirbt. Nein, dieser Bursche ist von anderem Schrot und Korn – und um so gefährlicher. So sehr ich mir wünschen würde, einen Schuß auf ihn abzugeben, wäre mir doch lieber, er bliebe uns fern. Sollte er je mit Vorsatz einen Angriff gegen uns anführen, so rechne ich uns nur geringe Chancen aus, falls es uns nicht gelingt, ihn gleich beim ersten Ansturm abzuknallen.«
Doch der weiße Hüne tauchte nicht wieder auf, um die Paviane gegen sie zu führen, und schließlich wanderten auch die ergrimmten Tiere weiter, verschwanden im Dschungel und ließen die eingeschüchterte Safari in Frieden.
Am nächsten Tag machten sich die Schweden auf den Weg zu Kovudoos Dorf, fest entschlossen, des weißen Mädchens habhaft zu werden, das nach Aussagen von Kovudoos Boten im Dorf des Häuptlings gefangengehalten wurde. Wie sie ihr Ziel erreichen wollten, wußten sie nicht. Gewalt stand außer Frage, wenngleich sie nicht gezögert hätten, sie anzuwenden, hätten sie über die nötigen Kräfte verfügt. In früheren Jahren waren sie oft rücksichtslos durch riesige Gebiete marschiert und hatten ihre Beute mit roher Gewalt eingetrieben, selbst wenn ein freundliches oder diplomatisches Auftreten mehr erreicht hätte. Jetzt wurden sie jedoch vom Pech verfolgt, so daß sie ihren wahren Charakter lediglich zweimal innerhalb eines Jahres gezeigt hatten, und das auch nur, als sie auf abgelegene Dörfer mit wenig und nicht sonderlich mutigen Bewohnern stießen.
Kovudoo war von anderem Kaliber, und obwohl sein Dorf in gewisser Beziehung abseits der dichter bevölkerten Gebiete im Norden lag, besaß er dennoch soviel Macht, um über die dünne Kette von Dörfern, die ihn mit den wilden Herrschern im Norden verband, eine allgemein anerkannte Souveränität auszuüben. Sich ihn zum Feind zu machen hätte für die Schweden den Ruin bedeutet. Die nördliche Route zurück in die Zivilisation wäre ihnen vielleicht ein für allemal versperrt geblieben. Im Westen lag das Dorf des Scheichs direkt auf ihrem Weg und stellte ein wirksames Hindernis dar. Die Strecke nach Osten kannten sie nicht, und nach Süden gab es überhaupt keine Verbindung. So näherten sich die beiden Schweden dem Dorf von Kovudoo mit freundlichen Worten auf der Zunge und Heimtücke im Herzen.
Ihr Plan war wohldurchdacht. Sie erwähnten die weiße Gefangene mit keinem Wort, taten vielmehr so, als wüßten sie überhaupt nicht, daß Kovudoo jemanden gefangenhielt. Sie tauschten mit dem alten Häuptling Geschenke aus, feilschten mit seinen Bevollmächtigten über den Wert dessen, was sie erhielten, und verglichen mit dem, was sie gaben, ganz wie es unter Leuten üblich und angemessen ist, die keine anderen Ziele verfolgen. Unerwartete Großzügigkeit hätte Verdacht erweckt.
Während des folgenden Palavers gaben sie den Klatsch wieder, den sie in den verschiedenen Dörfern vernommen hatten, durch die ihr Weg sie geführt hatte, und erhielten wiederum Kunde von Dingen, die Kovudoo gehört hatte. Das Palaver war lang und ermüdend, wie solche eingeborenen Bräuche dem Europäer stets erscheinen. Kovudoo ließ kein Wort über seine Gefangene verlauten. Aus seinem großzügigen Angebot von Wegführern und Geschenken war zu ersehen, daß ihm an einer baldigen Abreise seiner Gäste gelegen war. Am Ende des Gesprächs ließ Malbihn scheinbar wie nebenbei die Bemerkung fallen, der Scheich sei tot. Kovudoo bekundete Interesse und Überraschung.
»Das hast du nicht gewußt?« fragte Malbihn. »Seltsam. Es geschah während des letzten Mondes. Er stürzte vom Pferd, als das Tier in ein Loch trat. Es fiel auf ihn. Als seine Männer ihn erreichten, war er schon tot.«
Kovudoo kratzte sich am Kopf. Das war eine arge Enttäuschung. Kein Scheich – kein Lösegeld für das Mädchen! Nun war sie wertlos, es sei denn, er verwendete sie für ein Festmahl – oder nahm sie zur Frau. Letzterer Gedanke erregte ihn. Er spuckte nach einem kleinen Käfer, der vor ihm durch den Staub kroch, und musterte Malbihn abschätzend. Diese Weißen waren seltsame Menschen. Ohne Frauen reisten sie weit entfernt von ihren Heimatdörfern umher. Doch er wußte, daß sie sich durchaus etwas aus Frauen machten. Wieviel waren sie ihnen wohl wert? – Diese Frage beschäftigte Kovudoo.
»Ich weiß, wo sich ein weißes Mädchen befindet«, sagte er unvermittelt. »Falls ihr sie kaufen wollt – sie ist vielleicht billig zu haben.«
Malbihn zuckte die Schultern. »Wir haben Probleme genug, Kovudoo«, sagte er.
Weitere Kostenlose Bücher