Tarzan 04 - Tarzans Sohn
Aufmerksamkeit – das verwirrte, überraschte Tier griff an. Noch zielte das Gewehr regungslos auf seine Brust. Der Mann brauchte nur zu feuern, und er hätte den Angriff unterbunden, doch aus irgendeinem Grund zögerte er, seit er das Antlitz des Mädchens gesehen hatte. Konnte es sein, daß er sie nicht mehr retten wollte? Oder zog er es vor, besser ungesehen zu bleiben? Letzteres war wohl der Grund, daß er den Finger nicht krümmte, um jenen kleinen Druck auszuüben, der das große Tier zu einem zumindest zeitweiligen Halt gebracht hätte.
Mit Adleraugen verfolgte der Mann, wie das Mädchen um sein Leben rannte. Ein oder zwei Sekunden betrug die Zeitspanne dieses ganzen aufregenden Ablaufs von dem Moment an, da der Löwe zum Angriff ansetzte. Unverwandt folgte der Gewehrlauf der breiten Brust des gelbbraunen Herrschers, als dieser bei seinem Anlauf etwas links von dem Mann geriet. Einmal, im allerletzten Augenblick, als ein Entkommen unmöglich erschien, drückte der Finger des Jägers schon ein ganz klein wenig auf den Abzug, doch fast gleichzeitig sprang das Mädchen nach oben zu einem überhängenden Ast und ergriff ihn. Der Löwe sprang gleichfalls, aber die gewandte Meriem hatte sich in letzter Sekunde außer Reichweite seiner Krallen geschwungen, ohne auch nur einen Zoll zu verschenken.
Der Mann atmete erleichtert auf, während er das Gewehr absetzte. Er sah, wie das Mädchen dem zornigen, brüllenden Menschenfresser unter ihr eine Grimasse schnitt und dann lachend in den Wald davonstob. Der Löwe blieb noch etwa eine Stunde am Wasserloch. Hundertmal hätte der Jäger seine Beute erlegen können. Warum unterließ er es? Fürchtete er, daß das Mädchen den Schuß hören und daraufhin zurückkehren würde?
Schließlich schritt Numa, noch immer zornig brüllend, majestätisch in den Dschungel. Der Jäger kroch aus seinem Versteck und gelangte eine halbe Stunde später zu einem kleinen Lager, das behaglich im Wald verborgen lag. Eine Handvoll schwarzer Begleiter registrierten seine Rückkehr mit verdrossener Gleichgültigkeit. Er war ein großer, bärtiger Mann, ein riesiger Hüne mit gelbblonden Haar, als er das Zelt betrat. Eine halbe Stunde später kam er glattrasiert wieder heraus.
Seine Schwarzen betrachteten ihn erstaunt.
»Würdet ihr mich wiedererkennen?« fragte er.
»Nicht einmal die Hyäne, die dich in die Welt gesetzt hat, würde dich erkennen, Bwana «, erwiderte einer.
Der Mann wollte dem Schwarzen einen Fausthieb ins Gesicht schmettern, aber lange Erfahrung im Ausweichen bei ähnlichen Attacken rettete den dreisten Burschen.
Kapitel 17
Meriem kehrte langsam zu dem Baum zurück, wo sie Rock, Schuhe und Strümpfe gelassen hatte. Sie sang fröhlich vor sich hin, doch ihr Gesang endete abrupt, als sie den Baum vor sich sah, denn dort vergnügten sich einige Paviane mit den Sachen und hatten ihre helle Freude daran, sie hin und her zu schleifen. Als sie sie sahen, ließen sie sich keineswegs stören. Vielmehr bleckten sie die Zähne und knurrten sie an. Warum sollten sie auch eine einzelne Tarmangani fürchten? Dazu bestand wahrlich kein Grund.
In der offenen Ebene jenseits des Waldes kehrten die Jäger von ihrer täglichen Lieblingsbeschäftigung zurück. Sie waren weit voneinander getrennt in der Hoffnung, während des Rückmarsches über die Ebene einen streunenden Löwen aufzustöbern. Der ehrenwerte Morison Baynes ritt dem Wald am nächsten. Als er seine Blicke über das gewellte, hier und dort mit Gestrüpp bestandene Gelände schweifen ließ, entdeckte er nahe dem dichten Dschungel, wo er an die Ebene grenzte, eine Gestalt.
Er lenkte sein Pferd in Richtung seiner Entdeckung. Noch war sie für sein ungeübtes Auge zu weit entfernt, als daß er sie hätte erkennen können. Aber als er näher kam, sah er, daß es ein Pferd war. Schon wollte er die ursprüngliche Richtung wieder aufnehmen, da glaubte er, auf dessen Rücken einen Sattel erkennen zu können. Er ritt näher. Ja, das Tier war gesattelt. Der ehrenwerte Morison näherte sich noch mehr, und dabei trat ein Ausdruck freudiger Erwartung in seine Augen, denn er stellte fest, daß er das Lieblingspferd von Meriem vor sich hatte.
Er galoppierte hin. Meriem mußte im Wald sein. Der Mann schauderte ein wenig bei dem Gedanken, daß sich das schutzlose Mädchen allein im Dschungel befand, der für ihn noch immer einen furchterregenden Ort der Schrecknisse und des schleichenden Todes darstellte. Dann saß er ab und ließ
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