Tarzan 04 - Tarzans Sohn
selbstverständlichste Sache der Welt, daß ein junges Mädchen mit wilden Dschungeltieren verkehrte.
»Es war schrecklich!« stieß der ehrenwerte Morison hervor.
»Schrecklich?« wiederholte sie und runzelte verwundert die Stirn. »Was ist daran so schrecklich? Es sind meine Freunde. Ist es schrecklich, mit Freunden zu reden?«
»Also haben Sie tatsächlich mit ihnen gesprochen?« rief er, »Sie haben sie verstanden und die Sie?«
»Gewiß.«
»Aber es sind doch gräßliche Geschöpfe – gemeine Tiere einer niederen Gattung. Wie kommt es, daß Sie die Sprache von Tieren sprechen?«
»Sie sind nicht gräßlich, und sie sind nicht gemein«, erwiderte Meriem. »Freunde sind nie so. Ich habe jahrelang unter ihnen gelebt, ehe Bwana mich fand und hierher brachte. Ich kannte kaum eine andere Sprache als die der Mangani. Sollte ich auf einmal so tun, als kennte ich sie nicht, nur weil ich gegenwärtig zufällig unter Menschen lebe?«
»Gegenwärtig!« stieß der ehrenwerte Morison hervor. »Sie wollen doch damit nicht sagen, daß Sie gedenken, wieder zu ihnen zurückzukehren? Kommen Sie, kommen Sie, das ist doch dummes Zeug, was wir da erörtern! Allein der Gedanke! Sie wollen mich aufziehen, Miß Meriem. Sie sind einfach freundlich zu den hiesigen Pavianen gewesen, die kennen Sie nun und belästigen Sie deshalb nicht. Aber daß Sie einmal unter ihnen gelebt haben wollen – nein, das ist lächerlich.«
»Dennoch stimmt es«, sagte das Mädchen hartnäckig, denn sie erkannte, daß der Mann wahrhaftig von Entsetzen befallen wurde ob dieser Vorstellung, man sah es an seinem Ton und seinem Verhalten, und sie machte sich einen Spaß daraus, ihn weiter zu hänseln. »Jawohl, ich habe fast unbekleidet unter großen und kleineren Affen gelebt. Ich habe auf Bäumen gewohnt. Ich habe auf kleinere Tiere Jagd gemacht und sie – roh hinuntergeschlungen. Mit Korak und A’ht habe ich der Antilope und dem Keiler nachgestellt, und ich habe auf einem Ast gesessen, Numa, dem Löwen, Grimassen geschnitten, Stöcke nach ihm geworfen und ihn geärgert, bis er in seiner Wut so schrecklich gebrüllt hat, daß die Erde bebte.
Und Korak hat mir hoch in den Zweigen eines mächtigen Baumes eine Lagerstatt errichtet. Er hat mir Früchte und Fleisch gebracht. Er hat um mich gekämpft und war freundlich zu mir – ich kann mich nicht entsinnen, daß jemand je so gütig zu mir war wie mein Korak, bis ich zu Bwana und My Dear kam.« Ein sehnsuchtsvoller Ton lag jetzt in ihren Worten, sie hatte ganz vergessen, daß sie den ehrenwerten Morison aufziehen wollte, denn sie dachte wieder einmal an Korak. In letzter Zeit hatte sie sich nicht oft an ihn erinnert.
Eine Zeitlang schwiegen beide, während sie in Gedanken versunken zum Bungalow ihres Gastgebers zurückritten. Das Mädchen dachte an eine gottgleiche Gestalt, an ein Leopardenfell, das deren glatte, braune Haut halb verhüllte, während sie gewandt durch die Bäume sprang, um ihr bei der Rückkehr von einer erfolgreichen Jagd Nahrung zu bringen. Hinter ihm schwang sich kraftvoll ein riesiger zottiger Menschenaffe durch die Wipfel, während sie sie lachend und schreiend willkommen hieß und auf einem Zweig vor dem Eingang zu ihrer Laubhütte schaukelte. Es war ein schönes Bild, das sie sich in Erinnerung rief. Die andere Seite tauchte selten aus der Vergangenheit auf – die langen, dunklen Nächte, die kühlen, schrecklichen Dschungelnächte – die Kälte, Feuchtigkeit und Unbehaglichkeit der Regenzeit – die gräulichen Rachen der wilden Raubtiere, wenn sie unten durch pechschwarze Finsternis strichen – die ständige Bedrohung seitens Sheeta, des Panthers, und Histah, der Schlange – die stechenden Insekten – das widerliche Ungeziefer. Denn in der Tat wurde all dies aufgewogen durch das Glück der Sonnentage, die Freiheit und vor allem anderen die Gesellschaft von Korak.
Die Gedanken des Mannes waren ziemlich verworren. Er wurde sich plötzlich bewußt, daß er drauf und dran gewesen war, sich in dieses Mädchen zu verlieben, von dem er überhaupt nichts wußte bis zu dem Moment vorhin, als sie von sich aus einen Teil ihres vergangenen Lebens preisgab. Je mehr er über die Angelegenheit nachdachte, desto offenkundiger wurde ihm, daß er ihr seine Liebe geschenkt hatte – daß er im Begriff gewesen war, ihr seinen ehrlichen Namen anzubieten. Er schauderte ein wenig, wenn er daran dachte, wie knapp er davongekommen war. Gleichwohl liebte er sie noch. Gemäß den
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