Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
Verfügung steht. Darwins Ideen kamen keineswegs aus dem Nichts heraus, sondern Teile der Evolutionstheorie wurden von anderen Naturforschern schon vor ihm formuliert. Es sei hier stellvertretend für alle vordarwinschen „Evolutionstheoretiker“ auf Jean-Baptiste de Lamarck (1744– 1829) hingewiesen. Die Anhäufung von Belegen führte dazu, dass die Evolutionstheorie nicht nur von Charles Darwin, sondern nahezu gleichzeitig von dem Naturforscher Alfred R. Wallace (1823–1913) entdeckt wurde. Allerdings bedurfte es, wie meist bei wichtigen Durchbrüchen in der Wissenschaftsgeschichte, der tatkräftigen Unterstützung vieler Mitstreiter, wie Thomas H. Huxley (1825–1895) und Ernst Haeckel (1834–1919), damit die Evolutionstheorie sich gegenüber der weitverbreiteten Ansicht der Konstanz der Arten , d.h. ihrer Unveränderbarkeit, durchsetzen konnte. Darwins Theorie unterschied sich grundlegend von anderen Theorien zur Entstehung der Artenvielfalt, da sie nicht teleologisch ist und somit weder eines inneren noch eines externen Telos, Ziel und Zweck, bedarf.
Seit Darwin wurde die Evolutionstheorie nicht grundlegend verändert, allerdings wurden wichtige Bestandteile, wie die Vererbung von Variation, besser verstanden. Die Integration der Mendelschen Regeln, die auf den Forschungsarbeiten von Gregor Mendel (1822–1884) beruhen und erst nach dem Tod von Ch. Darwin im Jahre 1900 neu entdeckt wurden, führten zur Formulierung des Neodarwinismus . Diese Phase der Evolution der Evolutionstheorie ist eng mit den Arbeiten von August Weismann (1834–1914) und Hugo de Vries (1848–1935) verbunden. Eine folgenschwere Erweiterung erhielt die Evolutionstheorie mit der Formulierung der „Modern Evolutionary Synthesis“ in der Mitte des 20. Jahrhunderts, die vorwiegend die Fortschritte der Populationsgenetik und Paläontologie einschloss. Dies führte zu einem bis heute geführten Disput zwischen schrittweisen ( gradualistischen ) Evolutionshypothesen, die von einer langsamen und konstanten Anhäufung von Mutationen ausgehen, und punktuellen Evolutionshypothesen, die von einer langen Periode vorwiegender Konstanz und kurzen Perioden von radikalen sprunghaften ( saltationistische n) Veränderungen ausgehen. Sozusagen parallel zu diesem Disput wurden weitere Aspekte neu beleuchtet, die durch den Fortschritt in anderen Forschungsbereichen besser zugänglich wurden. So führte die Anhäufung von Daten zum Genom zur Formulierung der Neutralitätshypothese , die auf der Beobachtung beruht, dass nurgeringe Teile der genomischen DNA Proteine codieren und dass der genetische Code degeneriert ist. Mutationen im nicht codierenden Teil des Genoms oder in der dritten Position des Codons können entsprechend neutral sein, d. h. sie werden nicht direkt selektiert ( Genetik ).
Eine wichtige Erweiterung stellten auch die Ideen von Willi Hennig (1913–1976) dar, auf deren Grundlage die Kladistik bzw. Phylogenetik entstand ( Siehe hier ). Die phylogenetische Vorgehensweise bedeutete nicht nur einen radikalen Wandel der Untersuchung von Verwandtschaftsbeziehungen, sondern führte auch zur allgemeinen Akzeptanz eines nicht teleologischen Denkens in der Systematik. Weitere wichtige Einflüsse kamen von Forschungsansätzen wie der Spieltheorien , der Systemtheorien und zum Teil auch von der Chaostheorie .
Die heutige Evolutionsbiologie ist vorwiegend durch Fortschritte in der molekularen Genetik sowie Bioinformatik geprägt. Bis heute ist die Evolutionstheorie einem steten Wandel unterworfen, da sie wie jede andere Theorie aufgrund neuer Erkenntnisse erweitert und vor allem konkretisiert wurde und wird. Allerdings wurden hierbei keineswegs die Eckpfeiler der Darwinschen Theorie, Variation und natürliche Selektion , verworfen. Somit handelt es sich eher um ein Theoriegebäude und nicht um eine Gruppe von unabhängigen Theorien. Derzeitige Beiträge zur Diskussion sind häufig von den verschiedenen Forschungsansätzen der Forscher geprägt. So sind die einflussreichen Ideen von Richard Dawkins, Autor des oft zitierten Buches „Das egoistische Gen“, sehr stark durch die Genetik geprägt, während Stephen Goulds Gedanken seine Erfahrung mit Fossilien widerspiegeln.
Die beiden Eckpfeiler sollten noch einmal kurz beleuchtet werden. Der Begriff der Variation erscheint heute recht gut verstanden, da die Genetik uns hier das notwendige Wissen zur Verfügung stellt. Dies ist vor allem den Entdeckungen der Mendelschen Regeln sowie der DNA zu
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