Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
somatische Ploidie bei Zelldifferenzierungen, als auch in der Phylogenese eine Rolle. Allerdings haben sich in den letzten Jahren die Hinweise gehäuft, dass Gesamtgenom-Vermehrungen in der Evolution weit verbreitet sind und entscheidend zur Bildung neuer Linien beitragen können. Dies liegt darin begründet, dass die Duplikation/Multiplikation eines Gens zur Bildung von Genfamilien führt. Diese können in ihrer Funktion konserviert sein oder aber neue Funktionen übernehmen. Wir treffen also bei der Genduplikation auf einen Mechanismus, der neue Genfunktionen bereitstellen kann. Diese werden dann im Laufe der Evolution durch Selektion konserviert.
Abb. 7. 6 Die zwei Typen der Entstehung von polyploiden Genomen . Bei Autopolyploiden wurde das Genom der gleichen Art verdoppelt, während Allotetraploide aus einer Kreuzung zwischen Individuen zweier unterschiedlicher Arten entstehen. Das Oval zeigt die meist uniparentale Vererbung der Organellen (Plastiden, Mitochondrien) an.
Genduplikationen führen allerdings auch zu einem Homologie-Problem. Paraloge Genkopien sind die Folge von Genduplikationen in einer Zelle, während orthologe Genkopien homolog zwischen Taxa mit einem gemeinsamen Ursprung sind (Abb. 7. 7 ).
Abb. 7. 7 Orthologe und paraloge Genkopien.
Im Bereich der molekularen Evolution müssen wir zwischen der Phylogenie eines Gens und der Phylogenie einer Art unterscheiden. Wir sprechen zumeist von Gene-trees (Genbäumen) versus Species-trees (Artbäumen). Die Aufspaltung eines Gens in zwei Kopien kann im gleichen Zeitraum stattfinden wie die Artaufspaltung. In diesem Falle sind beide kongruent . Allerdings kann die Aufspaltung des Genbaums auch einige Zeit vor oder erst nach der Artaufspaltung geschehen. In beiden Fällen kommt es zu Inkongruenzen (Abweichungen) zwischen Gen- und Artbäumen. Die Abweichungen des Genbaums erscheinen meist als plesiomorphe oder homoplastische Mutationen. Es ist entsprechend von großer Bedeutung, dass Daten zu mehreren Genen und mehreren Individuen pro Art gesammelt werden, wenn Fragen zur Artbildung untersucht werden.
Die Evolution eines Gens in der Entfaltung einer Linie mit drei Arten A, B und C ist in Abb. 7. 8 dargestellt. A ist die Schwesterart zu B, während C die Schwesterart zumgemeinsamen Vorfahren der Arten A und B ist. Die Darstellung umfasst 2 Kladogeneseereignisse, d. h. die Aufspaltung von A und B bzw. die Aufspaltung von C und dem Vorfahren von A und B. Dazu kommen die Anagenesephasen, in der sich eine Art verändert. Die orangenen Punkte entsprechen den Varianten eines Gens zu einem bestimmten Zeitpunkt im Laufe der Evolution. Die Verbindungslinien zeichnen die Vererbung der Varianten nach. Drei Beispiele sind hervorgehoben (blau, grün, rot). Die blaue Linie trennt sich von der rot-grünen Linie kurz vor der Aufspaltung in C und dem Vorfahren von A und B ab und kommt anschließend nur in der Art C vor. Der gemeinsame Vorfahr von A und B hat ursprünglich die rot-grüne Linie, die sich aufgrund einer Mutation im Laufe der Anagenese dieser Art in die rote und grüne Variante aufspaltet. Dieser Polymorphismus ist dieser Art gemeinsam. Im Laufe der Aufspaltung von A und B kommt es zu einer Verteilung der beiden Kopien, wobei die rote Linie nur in A vorkommt und die grüne Linie nur in B. Die rote Kopie erscheint somit als eine Apomorphie von A bzw. die grüne Kopie als eine Apomorphie von B, obwohl sie beide einen Polymorphismus des gemeinsamen Vorfahren darstellen. Das Beispiel illustriert, dass Mutationen häufig im gemeinsamen Vorfahren angehäuft werden und dann bei der Artbildung entmischen.
Abb. 7. 8 Rekonstruktion der Evolution eines Gens in drei verwandten Arten und ihren gemeinsamen Vorfahren.
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In den letzten Jahren wurden große Fortschritte in unserem Verständnis der Veränderungen der Genomgröße in der Evolution erreicht. Dies wurde durch die Kombination verschiedener Methoden ermöglicht. Eine zentrale Rolle spielt die Bestimmung der Größe des Genoms einer Zelle, des sogenannten C-Werts . Dieser Wert bezieht sich auf die Menge der DNA im haploiden Kern eines Eukaryoten. Dieser Wert variiert sehr stark. Die Größe des Genoms ist weder direkt mit der Komplexität des Phänotyps noch mit der Anzahl an Genen korreliert. Wir sprechen deshalb vom C-Wert-Paradox, das erst durch die Entdeckung der Bedeutung von nicht-codierender DNA erklärt werden konnte. Die Bestimmung des C-Werts erfolgt meist mithilfe von fluorimetrischen Messverfahren,
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