Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
ostafrikanischen Seen. Nicht alle organismischen Radiationen sind notwendigerweise adaptiv und entsprechend bevorzugen einige Kollegen den Ausdruck rapid Radiations, um den sprunghaften Anstieg der Artenzahl zu unterstreichen.
Abb. 7. 4 Die Darwinfinken der Galapagosinseln sind das meistgenannte Beispiel für adaptive Radiationen. Diese Finken gingen aus einem gemeinsamen Vorfahren hervor, der die geographisch sehr isolierten Galapagosinseln von Südamerika kommend erreichte. Dort bildete sich eine Reihe neuer Arten aus, die sich in Körpergröße und Schnabelformen deutlich unterscheiden. Die Abbildung zeigt die unterschiedlichen Schnabelformen, die eine Anpassung an unterschiedliche Nahrung darstellen. Es handelt sich somit um eine adaptive Radiation, da die Finken sich an unterschiedliche Habitate anpassten.
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Die Hypothese einer adaptiven Radiation der Pflanzengattung Echium (Natternkopf, Boraginaceae) in Macaronesien, d. h. Kanaren, Madeira, Kap Verde-Inseln, Azoren, wurde in einer Studie untersucht. Die Hypothese war begründet in der Vielzahl an Echium-Arten, die endemisch auf diesen Inseln sind: etwa 17 Arten auf den Kanaren, 2 Arten auf Madeira und 2 Arten auf den Kap Verde-Inseln. Zudem kommt es bei diesen Arten zur Ausbildung von holzigen Formen, die bei den Echium -Arten im kontinentalen Eurasien sowie Nordafrika fehlen. Die Ausbildung von Inselgehölzen bei Angiospermen, die in ihren kontinentalen Ursprungsgebieten Kräuter oder Stauden sind, ist für mehrere Gattungen auf den Kanaren und Hawaii nachgewiesen worden. Für Echium wurde mithilfe von DNA-Sequenzen gezeigt, dass alle Echium-Arten in Macaronesien einen gemeinsamen Vorfahren haben, d. h. die Linie ist monophyletisch. Der Vorfahr kolonisierte wahrscheinlich zunächst die Kanaren. Diese Kolonisation ermöglichte der Linie die Anpassung an Lebensräume, die dieser Gattung im kontinentalen Bereich nicht zugänglich sind. In der Folge differenzierten sich neue Arten in einem relativ kurzen Zeitraum. Die schnelle Aufspaltung konnte dadurch belegt werden, dass die genetische Differenzierung in neutralen DNA-Sequenzen sehr gering ist, gerade im Vergleich zur genetischen Differenzierung von morphologisch uniformen Echium -Arten im mediterranen Europa.
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7.2.1 Entfaltung und Veränderung des Phänotyps
Als Phänotyp bezeichnen wir die äußere Erscheinung eines Organismus. Die vergleichende Beschreibung dieser Erscheinung wird von der Disziplin der Morphologie gewährleistet. Den inneren Aufbau des Organismus beschreibt die Anatomie, bzw. im Bezug auf Gewebe die Histologie und im Bezug auf die Zelle die Cytologie. Der Begriff vergleichende Morphologie wird meist auch als Überbegriff für diese Disziplinen gebraucht. Die Erscheinungsform des Organismus ist von großer Bedeutung für die Evolutionsbiologie, denn die Selektion wirkt meist auf der hierarchischen Ebene des Phänotyps, da das Zusammenspiel der Teile des Organismus seine Lebenstüchtigkeit bzw. seinen Reproduktionserfolg bestimmt. Die vergleichende Morphologie lieferte von Anbeginn an einige der wichtigsten Hinweise zur Evolutionstheorie. So können Ähnlichkeiten phänotypischer Strukturen entweder auf Homologien, Konvergenzen oder Analogien beruhen. Als Analogien bezeichnen wir Strukturen mit gemeinsamen Funktionen aber unterschiedlicher Struktur und Herkunft. So dienen die Flügel von Insekten und Vögeln als Flugorgane, sie sind aber unabhängig voneinander entstanden. Die Flügel der Vögel sind die umgeformten vorderen Extremitäten eines Tetrapoden, während die Flügel der Insekten aus den Segmenten des Thorax oderden Beinanhängen hervorgehen. Als homolog bezeichnen wir Strukturen, deren Ähnlichkeit in einem gemeinsamen Vorfahren begründet ist. Homologe Strukturen können, müssen aber nicht funktionell gleichartig sein. So sind die Extremitäten der Tetrapoden homolog, obwohl sie in Form von Beinen, Flügeln oder Flossen vorliegen können. Zur Feststellung der Homologie werden häufig die Homologie- Kriterien angewandt. Dabei handelt es sich um drei Hauptkriterien: (1) Kriterium der Lage, (2) Kriterium der speziellen Qualität, d. h. Übereinstimmung in Merkmalen und (3) Stetigkeit bzw. Kontinuität in der Evolution. Die Entscheidung über eine falsche oder wahre Homologiehypothese wird stets nur durch eine phylogenetische Prüfung fallen ( Siehe hier ).
Als Konvergenz bezeichnen wir ähnliche Strukturen, die als Anpassung an ähnliche Umweltbedingungen in verwandten
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