Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
bestuntersuchten Beispiele für diese genetischen Werkzeuge sind die Homeobox-Gene, die für die Ausbildung der Segmente in mehrzelligen Tieren verantwortlich sind, sowie eine bestimmte Gruppe der MADS-Box-Gene, deren Funktion die Kontrolle der Ausbildung von Blütenorganen ist. Die Vermehrung und Differenzierung der Werkzeuge, d. h. der Genkopien dieser Transkriptionsfaktoren, ist von großer Bedeutung für die Innovation neuer Strukturen in der Evolution. So kann die Evolution der Blüte der eudikotylen Angiospermen mit der Ausbildung des ABC-Modells durch Vermehrung und funktionelle Differenzierung von Genfamilien der MADS-Box-Gene begründet werden ( Botanik ). Fortschritte in unserem Verständnis der Regulation von Entwicklungsprozessen haben dazu geführt, dass heute weniger von einzelnen Genfunktionen als vielmehr von Netzwerken von regulierenden Genen geredet wird. Diese Netzwerke haben eine gewisse Robustheit, sodass der Ausfall einzelner Gene durchaus kompensiert werden kann. Die Robustheit dieser regulativen Netzwerke kann auch als eine Art „ Constraint “ im Laufe der Evolution wirken, da Veränderungen eher in den weniger robusten Teilen des Entwicklungsprogramms auftreten.
Neue Einsichten der molekularen Entwicklungsgenetik haben das Studium epigenetischer Vorgänge ermöglicht, die wiederum Konsequenzen für die Evolutionstheorie haben. Epigenetische Vorgänge erinnern an die Vererbung erworbener Eigenschaften von einem Elternteil auf seine Nachfahren, wie sie im Lamarckismus postuliert wurde. Der Lamarckismus wurde in der Folge der Integration der Mendelschen Vererbungsregeln in die Evolutionstheorie widerlegt. Allerdings scheinen Mechanismen zu bestehen, die Informationen gerade von der mütterlichen Seite auf den Embryo übertragen können. So können Allele des vom Vater stammenden Genoms durch Methylierungen ausgeschaltet werden. Insgesamt sind epigenetische Prozesse und vor allem ihre Wirkung in der Mikroevolution noch unzureichend verstanden.
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Die Entdeckung von Transkriptionsfaktoren der HOX-Genfamilie , die die Ausbildung von Segmenten des Insektenkörpers kontrollieren, trug entscheidend zu unserem heutigen Verständnis der Evolution der Entwicklung von Tieren bei. Hox-Gene sind in nahezu allen Tieren vorhanden. Sie liegen in der Regel in Clustern von mehreren Kopien vor. Ein Studium dieser Cluster in allen Stämmen des Tierreiches ergab, dass die Ausbildung der bilateralen Metazoa mit einer Vermehrung der Anzahl der Clusterelemente in Zusammenhang steht (Abb. 7. 10 ). Der evolutionäre Mechanismus einer Verdoppelung bzw. Vermehrung generiert die Grundlage für eine Differenzierung der Funktion der neuen Kopien. Hiermit wurde die Grundlage für die Ausbildung komplexer Formen geschaffen. So ist die Linie der Deuterostomier durch eine weitere Vermehrung einer bestimmten Gruppe von Hox-Genen gekennzeichnet.
Abb. 7. 10 Die Phylogenie der Metazoa und die Evolution der Hox-Gen-Cluster. c markiert die Vermehrung der central Hox-Gen-Cluster, p die Vermehrung der posterior Hox-Gen-Cluster in der Phylogenie der Metazoa.
Eine ähnlich bedeutsame Entdeckung war die Charakterisierung einer bestimmten Gruppe der Transkriptionsfaktoren der Blütenpflanzen, die zur Genfamilie der MADS-Box-Gene gehört. Die Entdeckung des ABC-Modells der Blütenentwicklung von Arabidopsis thaliana war grundlegend für die Erforschung der molekularenEvolution der Blüte ( Botanik ). Die Organe der Blüte werden durch die Expression bestimmter Kopien von MADS-Box-Genen kontrolliert. Es konnte nun gezeigt werden, dass dieses Modell nur für die Kern-Eudikotylen Gültigkeit hat und dieser Entwicklungsmechanismus für die Konservierung des Blütenaufbaus dieser Angiospermenlinie von großer Bedeutung ist. Die Ausbildung der Blütenorgane wird auch bei anderen Angiospermen durch die MADS-Box-Gene kontrolliert, allerdings unterliegt das Zusammenspiel der verschiedenen Genkopien einer weiterreichenden Variation. Auch hier zeigt sich, dass die Ausbildung komplexer neuer Strukturen wie der Angiospermenblüte das Produkt von Genduplikationen sowie der Differenzierung der so erzeugten Kopien mit neuen Funktionen darstellt.
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7.2.4 Integration von Evolution und Ökologie, einschließlich Koevolution
Evolutionsbiologie und Ökologie sind ebenfalls eng miteinander verbunden. Die Evolutionsbiologie beschäftigt sich ja gerade mit der Anpassung des Organismus an seinen Lebensraum. Es ist historisch bedeutsam, dass die
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