Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
Merkmalsänderung muss festgestellt werden.
Ein phylogenetisches System wird nach Willi Hennig erstellt, indem durch die Suche nach den Schwestergruppen lauter Monophyla gebildet werden. Hat sich eine Stammart A in zwei Tochterarten A 1 und A 2 gespalten, von denen A 1 der Stammart ähnlich geblieben ist und A 2 Merkmale abgewandelt hat, dann können die Nachkommen der Art A 2 am Besitz der abgewandelten Merkmale erkannt werden (Abb. 8. 3 ). Die abgewandelten Merkmalsformen werden apomorph genannt, die gleich gebliebenen plesiomorph . Sowohl das Vorhandensein als auch das Fehlen eines Merkmals kann abgeleitet sein, z. B. fehlen vielen Höhlenbewohnern sekundär Augen und Pigmente, parasitischen Pflanzen das Chlorophyll. Hier ist das Fehlen ein apomorphes Merkmal. Setzt man die Artspaltungen grafisch in einem Koordinatenkreuz um, so misst die Ausdehnung der Zweige in x-Richtung die morphologische Abweichung von der ursprünglichen Merkmalsausprägung, die Ausdehnung der Zweige in y-Richtung den Zeitfaktor. Da für diese Ausdehnungen meist nur relative Werte angegeben werden können, wird auf die Achsen oft ganz verzichtet.
Abb. 8. 3 Zeichnerische Verdeutlichung der Begriffe „plesiomorph“ und „apomorph“ nach Willi Hennigs Arbeiten: Die Stammart A spaltet sich zur Zeit t 2 in die Tochterarten A 1 und A 2 und hört damit auf zu existieren. Die Tochterart A 1 unterscheidet sich weniger von der Stammart A als Tochterart A2 (d 1 < d 2 ). A 1 hat weniger Merkmale der Stammart A verändert (apomorph) als A 2 und mehr unverändert beibehalten (plesiomorph).
Den gemeinsamen Besitz von abgewandelten Merkmalen bezeichnet man als Synapomorphie , das Vorhandensein von relativ ursprünglichen Merkmalen in mehreren Taxa als Symplesiomorphie . Auch für die entsprechenden Merkmalsformen selbst werden die Begriffe Synapomorphie bzw. Symplesiomorphie verwendet.
Eine taxonomische Gruppe ist dann ein Monophylum , wenn sie durch mindestens eine evolutive Neuheit ( Autapomorphie ) ihrer Stammart geeint wird. Gesucht ist also nach möglichst verlässlichen Belegen, dass die spezifische Qualität der untersuchten homologen Merkmale beim letzten gemeinsamen Vorfahr der untersuchten Taxa neu entstanden ist. Mit anderen Worten, man muss möglichst sichere Hinweise dafür finden, dass die fraglichen Übereinstimmungen bei den untersuchten Taxa synapomorph sind. Stammesgeschichtlich ältere Übereinstimmungen, Symplesiomorphien, die früher als beim letzten gemeinsamen Vorfahren entstanden sind, weisen nur auf eine weitläufige Verwandtschaft hin (Abb. 8. 4 ). Allerdings kann der letzte gemeinsame Vorfahr unter Umständen weit in der Vergangenheit gelebt und entsprechend viele Nachkommen hervorgebracht haben. Diese können die fraglichen Merkmale verändert oder völlig verloren haben. Das kann zu Fehlurteilen führen, denn die Träger der untersuchten homologen Merkmale erscheinen näher verwandt als solche, denen das Merkmal sekundär fehlt.
Jede Feststellung einer sekundären Homologie ist eine Aussage über die vermutete Monophylie des Taxon, das alle ihre Träger enthält. „Sekundäre Homologie“ und „Synapomorphie“ sind also identisch.
Das Stammbaumschema (Abb. 8. 4 ) der Taxa A bis F verdeutlicht die Methode der phylogenetischen Systematik , dabei sind die Arten 1 bis 6 die Stammarten der rezenten Taxa A bis F. Die Merkmalsliste a, b, c, ... k (Grundplan) der einzelnen Arten und Taxa ist in Kästchen zusammengestellt. Monophyletische Gruppe : Die Taxa A bis F bilden ein Monophylum mit der gemeinsamen Stammart 2. Das lässt sich durch die Merkmale b und d begründen, die bei diesen Taxa in den gegenüber der Art 1 (und ihren sonstigen Nachfahren) relativ abgeleiteten Formen bl bzw. dl vorliegen. Synapomorphien : Zwischen den Arten C und D besteht ein Schwestergruppen-Verhältnis, die Art 5 ist die nur ihnen gemeinsame Stammart. Autapomorphie des Taxon C ist das Merkmal el, die des Taxon D das Merkmal fl. Die Synapomorphie der Taxa C und D ist das Merkmal dll, das sie aus dem Grundplan der Art 5 übernommen haben. Das Merkmal d ist in der Evolution der Taxa A–F zwei Mal abgewandelt worden, zuerst zwischen 1 und 2 (zu dl), später zwischen 4 und 5 (von dl zu dll). Parsimonie : Ein Außengruppenvergleich zeigt, dass der Merkmalszustand cl gegenüber c abgeleitet ist. In der Innengruppe (Taxa A bis F und Arten 2 bis 6) liegt das Merkmal in diesen beiden Zuständen vor, in der Außengruppe (bei den übrigen Nachkommen der
Weitere Kostenlose Bücher