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Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie

Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie

Titel: Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hrsg Munk
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apomorph. Letzteres ist demnach eine mögliche Synapomorphie von Großen Menschenaffen und Menschen.
    Stirnhöhlen: Menschen, Schimpansen und Gorillas haben Stirnhöhlen, Orang-Utans, Gibbons und die Meerkatzenartigen sowie alle übrigen Primaten nicht. Menschen plus Menschenaffen als Innengruppe und die übrigen Altweltaffen als Außengruppe sprechen für die Hypothese, dass der Besitz von Stirnhöhlen innerhalb der Primaten apomorph und das Fehlen plesiomorph sei. Stirnhöhlen sind also eine mögliche Synapomorphie von Menschen, Schimpansen und Gorillas.
    Wenn diese drei Merkmale in der Stammlinie (der Abfolge von Vorfahren und Nachkommen) der Menschen jeweils nur einmal transformiert wurden, die apomorphen Zustände also Synapomorphien darstellen, dann ergibt sich ein widerspruchsfreies Bild von der phylogenetischen Verwandtschaft der Menschen: Ihre Schwestergruppe sind Schimpansen, Gorillas, oder beide zusammen, belegt durch den gemeinsamen Besitz von Stirnhöhlen. Molekulare Daten sprechen eher für ein Schwestergruppen-Verhältnis von Mensch und Schimpanse, morphologische Daten eher für eines von Schimpanse und Gorilla. Das Schwestertaxon zu diesem Monophylum sind die Orang-Utans, belegt durch den Verlust der Sitzschwielen. Die Schwestergruppe des Taxon aus Menschen, Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans sind die Gibbons, wofür der Verlust des Schwanzes spricht. Natürlich sind Schwestergruppen-Hypothesen, die nur durch jeweils ein Merkmal unterstützt werden, nicht besonders verlässlich. In der Praxis sucht man daher immer nach möglichst vielen Merkmalen, die eine Polarisierung erlauben.
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    Die Gesamtheit der Merkmale des letzten gemeinsamen Vorfahren eines Monophylum wird Grundplan genannt. Er setzt sich aus abgeleiteten (apomorphen) und ursprünglichen (plesiomorphen) Grundplanmerkmalen zusammen. Wenn wir die Merkmale der Arten eines Monophylum betrachten, dann stellt sich regelmäßig die Frage, ob ein bestimmter Zustand zum Grundplan dieses Monophylum gehört, oder ob er erst innerhalb des betrachteten Monophylum entstanden ist und dann nur die Autapomorphie eines Teiltaxon darstellt. Die Begriffe Syn- und Autapomorphie sind relativ: Die Synapomorphien der Teiltaxa eines Monophylum sind die Autapomorphien dieses Taxon im Vergleich mit anderen Taxa, und sie sind innerhalb der Teiltaxa plesiomorph. Als was ein Merkmal gewertet wird, hängt also vom taxonomischen Niveau ab, das betrachtet wird, und dieses entspricht einem Zeithorizont in der Vergangenheit, zu dem die fraglichen Merkmale entweder schon vorhanden waren (Plesiomorphie), oder gerade gebildet wurden (Synapomorphien), oder noch nicht ausgebildet waren (Autapomorphien) (Abb. 8. 5 ).

    Abb. 8. 5 Die Begriffe symplesiomorph, synapomorph und autapomorph sind relativ. Ein Merkmal, das für das Taxon A + B + C autapomorph ist (Kreis), stellt innerhalb dieses Taxon eine Symplesiomorphie dar. Die Synapomorphie für B und C (volles Quadrat) entsteht später als diese Symplesiomorphie, die Autapomorphien der terminalen Taxa (Dreiecke) entstehen erst im letzten stammesgeschichtlichen Abschnitt.
8.2.4 Das Parsimonie-Prinzip
    Der Außengruppenvergleich ergibt Hypothesen über die Lesrichtung in einer Reihe von Merkmalsausprägungen, analysiert also, ob es sich um ursprüngliche oder abgeleitete Merkmale handelt. Um einen apomorphen Merkmalszustand bei zwei Taxa als Synapomorphie zu akzeptieren, muss man Konvergenz ausschließen oder unwahrscheinlich machen können. In der Praxis nimmt man Synapomorphie von apomorphen Merkmalszuständen an, wenn es keine widersprechenden Befunde ( conflicting evidence ) gibt. Wenn sich bei der Interpretation von Apomorphien als Synapomorphien Widersprüche ergeben, wählt man die Hypothese, die am wenigsten solcher Widersprüche notwendig macht. Man nimmt dann an, dass die verbleibenden, widersprüchlichen Merkmale konvergent entstanden sind. Dieses Vorgehen wird als Sparsamkeits- oder Parsimonie- Prinzip bezeichnet.
    Treten Homoiologien , also konvergente Ausprägungen homologer Organe, innerhalb einer engeren Verwandtschaftsgruppe auf, können sie die phylogenetische Analyse erschweren. Bei der Entscheidung, ob ein Merkmal als homolog oder als homoiolog zu betrachten ist, helfen nur andere Merkmale der gleichen Arten und der Vergleich mit anderen Taxa weiter: Die Fangbeine von Gottesanbeterin ( Mantis religiosa ) und Fanghaft ( Mantispa styriaca ) werden nicht deshalb als konvergent oder homoiolog betrachtet, weil sie

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