Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
Beziehung. Arten sind einander dann ähnlich, wenn es in ihren Merkmalen viele Übereinstimmungen gibt. Allerdings können Merkmale in einer Reihe von Arten ähnlich erscheinen und Verwandtschaft nur vortäuschen. Solche unabhängig entstandenen Ähnlichkeiten werden Konvergenzen genannt, sie sind auf vergleichbare Lebensbedingungen der Arten zurückzuführen oder auf eine Funktionsgleichheit der betrachteten Organe ( Analogie ). Umgekehrt können Merkmale im Lauf der Evolution stark abgewandelt werden, selbst innerhalb der gleichen Art tauchen große Merkmalsunterschiede zwischen verschiedenen Entwicklungsstadien oder Geschlechtern auf. Es gilt also, verwandtschaftlich begründete Ähnlichkeiten zu erkennen und von Konvergenzen zu unterscheiden. Für eine phylogenetische Analyse eignen sich ausschließlich Homologien , Konvergenzen werden aus der weiteren Analyse ausgeschlossen.
Der Besitz homologer Merkmale in zwei oder mehr Arten deutet auf einen gemeinsamen Vorfahren (der dieses Merkmal schon besaß), sie werden also stammesgeschichtlich näher verwandt sein. Naturgemäß wird eine Verwandtschaftsgruppe meist nicht nur durch ein einziges homologes Merkmal geeint, vielmehr stellt man in der Gruppe oft weitere Homologien fest. Die Gesamtheit der – apomorphen und plesiomorphen – Merkmale der letzten gemeinsamen Stammart bildet den Grundplan des Taxon (s. u.).
Zu unterscheiden sind die Definition von Homologie und die empirischen Indizien, die auf Homologie schließen lassen. Sonst gerät man in einen Zirkelschluss: Homolog sind Merkmale, die auf Verwandtschaft beruhen, verwandt sind Arten mit homologen Merkmalen.
Die empirische Begründung einer Homologie-Hypothese ist ein zweistufiger Vorgang . Im ersten Schritt ist zu ermitteln, welche Merkmale überhaupt alshomolog in Frage kommen. Dies ist die Feststellung der primären Homologie . Das einzige erkenntnistheoretisch einwandfreie Indiz für primäre Homologie ist Ähnlichkeit, gleichgültig in welcher Körperregion, gleichgültig mit welchen Methoden die Übereinstimmung festgestellt wird und unabhängig von der Komplexität der Merkmale. Adolf Remane (1898–1976) entwickelte sogenannte Homologie-„Kriterien“ (streng genommen handelt es sich um Indizien, nicht um logische Kriterien). Am wichtigsten sind:
Das Indiz der Lage (homotope Merkmale): Merkmale werden für primär homolog gehalten, wenn sie die gleiche Lage im Gesamtsystem einnehmen. Die gleiche Lage kann anhand übereinstimmender Verknüpfungen mit benachbarten Elementen gezeigt werden (Beispiel: Flügeladern der Insekten). Unsicherheiten entstehen durch den Ausfall einzelner Bestandteile.
Das Indiz der speziellen Qualität (homomorphe Merkmale): Merkmale werden für primär homolog gehalten, wenn sie trotz möglicherweise unterschiedlicher Lage in spezifischen Sondercharakteren übereinstimmen. Je komplexer die Merkmalsübereinstimmung zwischen den betrachteten Arten ist, desto verlässlicher ist die Homologie-Vermutung, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein komplexes Merkmal mehrmals parallel entwickelt wurde, ist geringer als bei einem einfachen Merkmal. Natürlich können auch einfach strukturierte Übereinstimmungen (z. B. der Carapax der Crustaceen) homolog sein, sie führen nur leichter zu einer Fehlentscheidung.
In einem zweiten Schritt prüft man die Verteilung der primären Homologien unter den behandelten Taxa. Lassen sich alle primären Homologien widerspruchsfrei als nur einmal in der Evolution entstanden erklären, werden sie als sekundäre Homologien akzeptiert und als Beleg für nähere Verwandtschaft ihrer Träger gewertet. Wenn sich Widersprüche in der Verteilung der primären Homologien ergeben, wird die Hypothese akzeptiert, die die meisten primären Homologien als sekundäre erweist. Die übrigen primären Homologien werden als Homoplasien bezeichnet. Dieses Vorgehen sucht also nach maximaler Kongruenz und ist methodisch nichts anderes als die Anwendung des Parsimonie-Prinzips (siehe unten). Eine Hypothese über primäre Homologie kann aufgestellt werden, ohne eine konkrete Verwandtschaftshypothese zu beachten, sie basiert nur auf empirischem Vergleich. Dagegen ist für die Feststellung der sekundären Homologie, also die Ermittlung der Merkmals-Kongruenz, eine phylogenetische Hypothese unabdingbare Voraussetzung.
Homonomie. Für die besondere Form der Entsprechung zwischen Merkmalen, die ein Individuum mehrfach besitzt, meist auf den beiden Körperseiten (z. B. linke
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