Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
dem Neandertaler überlegen, weil er mit besseren Werkzeugen die Ressourcen besser nutzte, dadurch länger lebte und sich erfolgreicher fortpflanzen konnte.
Der Vergleich von mitochondrialer DNA (s. u.) aus einem über 30 000 Jahre Neandertaler-Skelett mit heute lebenden Menschen ergab, dass es wahrscheinlich zu keiner wesentlichen genetischen Vermischung von H. neandertalensis und H. sapiens gekommen war.
9.2.3 Der Homo sapiens
Der frühe archaische H. sapiens lebte vor etwa 500 000 bis 200 000 Jahren in Afrika, wie Funde in West-, Süd- und Ostafrika sowie in Äthiopien und Marokko belegen. Die Schädelfunde zeigen deutliche Überaugenwülste und ein fliehendes Kinn. Vor ca. 200 000 bis 160 000 Jahren existierte der späte archaische Mensch. Es gibt Fossilfunde in Süd- und Ostafrika und Marokko. Die Schädelmerkmale ähneln bereits dem modernen Menschen. Der moderne H. sapiens existierte in Afrika bereits vor mindestens 160 000 Jahren. Dies belegen Schädelfunde aus Äthiopien, die denen des heutigen Menschen gleichen. Vor etwa 100 000 Jahren dürfte der moderne Mensch über Afrika hinaus den angrenzenden Nahen Osten besiedelt haben. Hier lebte er in Koexistenz mit dem Neandertaler. Die Ausbreitung nach Ostasien erfolgte vor mehr als 40 000 Jahren, denn die Existenz des modernen Menschen in Südostasien und Australien ist seit mindestens 40 000 Jahren nachzuweisen. In Europa gibt es Funde, die 40 000 Jahre alt sind. Diese zeitlichen Abfolgen interpretieren viele Anthropologen als „Out-of-Africa-Theorie“ . Sie gehen davon aus, dass sich der moderne Mensch in Afrika entwickelt und vor etwa 150 000 Jahren von dort aus in mehreren Migrationswellen in kleinen Gründerpopulationen über die Erde ausgebreitet hat. Nach Auffassung dieser Anthropologen haben sich die menschlichen Populationen auf den verschiedenen Erdteilen durch eine schnelle Anpassung physiologischer und äußerlicher Merkmale an unterschiedliche Umweltbedingungen herausgebildet. Auch genetische Drift und vor allem sexuelle Selektion werden zu den Unterschieden beigetragen haben ( Siehe hier , Siehe hier ). Diese Annahme wird durchmolekularbiologische Untersuchungen rezenter Bevölkerungsgruppen und durch DNA-Analysen von Fossilien gestützt. Ein Vergleich von Menschen verschiedener ethnischer Gruppen aus vier Kontinenten ergab, dass die mtDNA-Variation innerhalb Afrikas größer ist als in Gruppen außerhalb dieses Kontinents. Die große Variation in Afrika lässt sich dahin gehend interpretieren, dass sie die älteste Gruppe ist, was auch durch die Fossilfunde untermauert wird.
Einer anderen Theorie liegt die Annahme zugrunde, dass die modernen Menschen multiregional aus H. erectus -Populationen hervorgegangen sind. Danach entwickelten sich die Vorfahren der modernen Menschen getrennt voneinander in verschiedenen Regionen der Welt aus H. erectus -Abkömmlingen. Gestützt wird dieses Modell durch die anatomischen Merkmale , die zwischen heutigen Menschen und archaischen H. erectus -Funden in bestimmten Regionen übereinstimmen.
Die meiste Zeit seiner Existenz hat der moderne H. sapiens als Jäger und Sammler zugebracht. Erst vor etwa 10 000 Jahren erfanden Kulturen den Ackerbau, domestizierten Tiere und wurden sesshaft ( Siehe hier ). Der Ackerbau hat sich nur langsam verbreitet (1 km/Jahr). Die langsame Ausbreitung deutet darauf hin, dass diese Errungenschaft nicht an andere Kulturen weitergegeben wurde. Vielmehr haben die Ackerbauern allmählich die Jäger- und Sammlerpopulationen aus ihren Gebieten an Randzonen verdrängt.
Analysen des menschlichen Genoms haben gezeigt, dass sich der heutige Mensch sehr von seinen Vorfahren vor 10 000 Jahren unterscheidet. Danach unterlagen 7 % des Erbgutes einer schnellen Evolution . Der Anstoß war die Erfindung der Landwirtschaft. Sie ermöglichte eine bessere Ernährung und einen Anstieg der Bevölkerung ( Siehe hier ). Entsprechend vergrößerte sich die genetische Variabilität der Menschheit sehr. Das neue Nahrungsangebot förderte entsprechende Anpassungen in Nahrungsverwertung und Stoffwechsel. In Nordeuropa entwickelte sich beispielsweise die Lactasepersistenz mit der Einführung der Milchviehhaltung. Vor 5000 Jahren konnten Erwachsene in Europa keine Milch verdauen: Sie trugen die Genmutation noch nicht, durch die auch im Erwachsenenalter das Enzym Lactase produziert wird und die es heute der Mehrheit der Europäer erlaubt, über das Säuglingsalter hinaus den Milchzucker Lactose in verwertbare
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