Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
(fast) vollständige Reduktion des Symbionten bis auf den Plastiden ein seltenes evolutionäres Ereignis darstellt. Eine teilweise Begründung lässt sich womöglich in der Schwierigkeit der Orchestrierung der durch die intertaxonischen Rekombinationen rasch ansteigenden Zahl der Genome und ihrer Expressionskontrolle finden. So sind in einer heterotrophen Eukaryotenzelle zwei Genome (nucleäres und mitochondriales Genom) enthalten, in einem autotrophen Eukaryoten sind es drei. Dadurch werden bei einer sekundären intertaxonischen Rekombination bereits fünf verschiedene Genome in einer einzelnen Zelle vereinigt. Im Falle einer tertiären Verbindung zwischen einer Haptomonade und einem Dinoflagellaten sind es bereits zehn! Wie stark auf eine koordinierte Genexpression selektiert wird, zeigt die Anhäufung sowohl mitochondrialer als auch plastidärer Gene im Zellkern.
Im Hinblick auf die mögliche Abfolge der Aufzweigungen und der Position der Stammlinie werden zwei Szenarien diskutiert, die sich grundlegend voneinander unterscheiden. Legt man die Wurzel an den Eukaryotenstammbaum mithilfe eines Vergleichs der Archaea als Außengruppenvertreter ( Siehe hier ), zweigen die Excavata als erste Linie im Stammbaum ab, eine diverse Gruppe mit zahlreichen anaeroben und parasitischen Taxa ( Siehe hier ). Es wurde jedoch argumentiert, dass diese frühe Abspaltung ein Artefakt sein könnte, das durchbesonders hohe Substitutionsraten in den Genen der aus dieser Gruppe untersuchten Vertreter bedingt sei. Alternativ wird eine basale Aufspaltung in Amoebozoa und Opisthokonta („Unikonta“) einerseits und alle anderen Taxa vorgeschlagen. Als Apomorphie für letztere wird eine Fusion des Dihydrofolat-Reductase-Gens ( dhfr ) mit dem Thymidylat-Synthase-Gen ( ts ) gewertet. Für die Amoebozoa plus Opisthokonta wird als Synapomorphie eine Fusion der Gene gewertet, die für die ersten drei Enzyme der Pyrimidinsynthese codieren. Es fehlen derzeit noch umfassende Datensätze, um diese Fusionen in ihrer Bedeutung als Apomorphien sicher beurteilen zu können.
11.4.1 Biogeographische Muster einzelliger Eukaryota
Historische, im Laufe der Erdgeschichte entstandene, großräumige Verbreitungsmuster prägen das Erscheinungsbild von Tieren und Pflanzen. In ihrer Zusammensetzung aus Tier- und Pflanzengemeinschaften lassen sich verschiedene Regionen auf der Erde abgrenzen. Bei Mikroorganismen ist diese Musterbildung hingegen weniger deutlich ausgeprägt. Man findet in lokalen Regionen einen wesentlich höheren Anteil an auf der ganzen Erde bekannten Arten, als dies bei makroskopischen Arten der Fall ist. So wurden zum Beispiel 80 % aller auf der Welt bekannten Arten der Gattung Paraphysomonas , einer Vertreterin der Chrysomonadea, in einem Tümpel in England gefunden. Es wird sogar die Meinung vertreten, es gäbe überhaupt keine Verbreitungsmuster bei Mikroorganismen unter einer Größe von ca. 1 mm (Abb. 11. 10 ). Durch ihre geringe Größe, hohe Abundanz und ihre Fähigkeit, Dauerstadien auszubilden, können sie leicht durch Wind, Staub und wandernde Tiere verbreitet werden. Daher seien sie praktisch überall auf der Erde zu finden, wo sie geeignete Lebensbedingungen finden. Andere Autoren wiederum meinen, auch bei kleinen Organismen biogeographische Verbreitungsmuster zu erkennen und führen hierfür gute Beispiele an (Abb. 11. 11 ). Zudem evolvieren Mikroorganismen oft in engem ökologischen Kontext mit Makroorganismen. Sie weisen eine beschränkte geographische Verbreitung auf, wie (bereits erwähnte) Bewohner von anaeroben Gärkammern, denn verschiedene Termitenarten haben jeweils artspezifische Zusammensetzungen der Flagellalenfanna. Es erhebt sich die spannende Frage, ob z. B. die Ciliatenfauna im Pansen neuseeländischer Kühe dieselbe ist wie bei Populationen auf anderen Kontinenten. Zudem erklärt die Hypothese fehlender geographischer Musterbildung bei kleinen Organismen nicht, weshalb eine Vielzahl von Organismen, die ebenfalls unter 1 mm große Verbreitungsstadien haben, nicht auch überall vorkommen, wo sie geeignete Bedingungen fänden. Diese Fragen sind von großer ökologischer Bedeutung. Auch hängt die anzunehmende Zahl an Protistenarten entscheidend von ihnen ab.
Abb. 11. 10 Hypothese zur Verbreitung von Arten in Abhängigkeit von ihrer Größe. Die Ausprägung geographischer Muster erfolgt erst ab einer Größe von ca. 1 mm. (Nach Finlay, 2002.)
Abb. 11. 11 Verbreitung der Schalenamöbe Nebela vas . a REM-Aufnahme von
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