Tastenfieber und Liebeslust
einer Partnerschaft? Gibt es Unterschiede zwischen darstellenden, interpretierenden und schaffenden Künstlern? Wenn Ihr dann meine Versuche, das Thema von den Einzelfällen auf exemplarische Fragen zu lenken, kurz und lautstark abbügelt, frage ich mich, was ich da noch soll.
Die lallenden Bemerkungen von Ines, ob ich ›Macbeth‹ überhaupt gelesen hätte oder ob ich wisse, dass mein Partnermodell gescheitert, und ich deshalb nun eine ›freie‹ Frau gewählt hätte, waren verletzend.
Du hattest Dich auch von mir abgewandt und warst nie bereit, mir Deine Hand zu geben. Da machte ich mich auf den Weg. In Zukunft werde ich in ähnlicher Situation bleiben und wohl gelassener, geduldiger oder verständnisvoller reagieren.
Dein Amore
9. Juli – 15:21 Uhr
Lieber Max,
so tragisch war es gar nicht! Ich bin sogar irgendwie froh, dass wir nun quitt sind und uns beide einmal ›daneben benommen‹ haben. Ich bin Dir für Deinen Abgang nicht böse. Der Alk hat eben auch zerstörerische Kräfte!
Nun aber zu Deiner Theoriesucht: Brecht sagt: ›Die Liebe dauert oder dauert nicht.‹ Und genau so ist es. Künstler haben es sicher schwieriger als Menschen, die sich im Vorstadthäuschen ihr ›kleines Glück‹ aufbauen. Zum einen müssen sie stets an der Kräftigung ihres Ichs arbeiten, was dem von Dir so oft beschworenen Wir entgegensteht, denn sonst können sie ihren Beruf gleich aufgeben. Oft leben Künstlerpaare, beruflich bedingt, wochen- oder monatelang nicht zusammen, was zu Entfremdungen führen kann. Hier gibt es aber keine Regel. Und deshalb kann man immer nur den Einzelfall untersuchen.
Denke an Richard Wagner, der bis zu seinem Tod 16 Jahre mit seiner Cosima teilte, oder an den chaotischen Salvadore Dali, der 30 Jahre mit Gala zusammenlebte. Das gibt es also auch!
Es lassen sich unzählige Beispiele einer erfüllenden Künstlerpartnerschaft finden: Menuhin blieb 52 Jahre bei Diana, Sofia Loren ist schon 47 Jahre mit Ponti verheiratet und will keinen anderen, Clara Schumann blieb trotz vieler Avancen ihrer zahlreichen Anbeter 16 Jahre bei Robert, Karajan war 31 Jahre mit Eliette verheiratet usw.
Es gibt da keine Grundregeln, Muster, Theorien!
Auch das Wir-Gefühl lässt sich nicht pauschal für alle Menschen definieren. Ich empfinde ein Wir nur mit der gesamten Menschheit, mit jedem Leidenden und Hungernden, Erniedrigten, ich empfinde die innere Pflicht, helfen zu müssen, weil der andere ich selbst bin bzw. sein könnte. Jeder Mensch, mit dem ich die Möglichkeit habe, mich auseinanderzusetzen, ist auch irgendwie mein Spiegel.
Die Erziehung, die ich durch meine Eltern erfuhr, war auf die Ausprägung des Individuums ausgerichtet. Beide, Vater und Mutter waren starke Individualisten und wussten, dass die Auseinandersetzung mit sich selbst, ja, der Anspruch darauf, die einzige Möglichkeit ist, ein freier Mensch und Künstler zu werden, wenn das Potenzial dazu da ist. Das bedeutet auch, Einsamkeit und Ausgeschlossensein bewusst auf sich nehmen zu lernen.
Das Wir vereinfacht, ist oberflächlich, wird oberflächlich benutzt und kommt vielen Menschen sehr leicht über die Lippen, ohne dass sie darüber nachdenken, was sie da reden. (Eine Verkäuferin bei Aldi sagt z. B. Wir haben heute einen großen Umsatz gemacht!)
Es zählt im Umgang mit Menschen nur die Liebe, die Empathie, die Bereitschaft zum Verstehen. Ich will Dich lieben und als Individuum achten, Deine Eigenarten respektieren, Deine Verwundungen wahrnehmen und Dich trösten, wenn Du traurig bist.
Wir haben beide in einem langen Leben Erkenntnisse und Erfahrungen gesammelt. Deine fanden vornehmlich unter dem Motto ›Familie‹, dem Wir statt. Meine mehr unter dem Motto ›Einzelkämpferin‹. Mach Dir aber jetzt keine Gedanken mehr über den Abend.
Umarmung
Deine Eva
10. Juli – 12:23 Uhr
Mein allerliebster Liebling,
unser letztes Gespräch zeigte doch viel gegenseitiges Verständnis. Ich hoffe, dass das jetzt ein wenig anhält, geliebte Amazone! Ich wünsche Dir nun viel Kreativität und Schaffensdrang und heute viele Seiten in Deinem Buch.
Solltest Du Angst haben, einen Spaziergang im Park allein zu machen, rufe mich an, ich komme sofort und werde Dich mit allem, was mir lieb und teuer ist, beschützen.
Dein Amore
10. Juli – 13:32 Uhr
Lieber Schatz,
bin gegen halb sechs erst ins Bett gegangen, viel Internet, Briefe … Ich tauche jetzt ab, gehe in ›Klausur‹, wie ich das bei meiner musikalischen Arbeit immer
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