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Tatjana

Tatjana

Titel: Tatjana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Cruz Smith
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»Sieht so aus, als würden Sie auch Rennen veranstalten. Benutzen Sie Ihre eigenen Fahrräder?«
    »Selbstverständlich. Ich meine, wir zeigen dabei ja unsere Ware, nicht wahr?«
    »Fliegen Sie auch damit?«
    »Klar.«
    »Geben Sie sie als Fracht auf?«
    Der Mann hielt das Rad an. »Um Himmels willen. Ich soll ein Rad für tausend Dollar diesen Affen beim Frachtgut überlassen? Wir buchen Sitze für das Rad und verstauen es im Vorraum.«
    »Ihr Name ist …?«
    »Kurt. Ich bin Kurt, und das ist Karl.«
    »Tausend Dollar? Ist das die Grenze?«
    »Da gibt es keine Grenze.«
    »Zehntausend Dollar?«
    »Kriegen wir auch hin.«
    »Zehntausend Dollar? Sie tragen einen Plastiksack, und Sie haben Fahrräder, die zehntausend Dollar kosten?«
    »Nicht im Laden. Nicht im Moment.«
    »Aber wir können Ihnen alles besorgen«, sagte Kurt.
    »Ich hätte gern ein Ercolo Pantera.«
    Das war der Punkt, an dem sie ihn zu den »hochwertigen« Rädern im Laden hätten lenken sollen. Stattdessen fragten sie: »Was soll denn ein Pantera in Kaliningrad?«
    Genau das ist die Frage, nicht wahr?, dachte Arkadi.

20
    W em gehört die Wohnung?«, fragte Lotte.
    Einem Typen, den ich kenne.« Schenja schaute in den Kühlschrank, in dem eine Käserinde einsam Wache hielt.
    »Er überlässt dir einen Schlüssel? Muss ein guter Freund sein.«
    »So was in der Art. Er ist Ermittler.«
    »Ah ja.« Arkadi hatte Anja erlaubt, Fotos von Gefängnisinsassen und ihren Tätowierungen aufzuhängen, mit Betonung auf Drachen, Madonnen und Spinnennetzen, und sie fielen dem Mädchen ins Auge. »Die hab ich in einer Zeitschrift gesehen.«
    »Magst du ein Bier?« Schenja schnippte zwei Flaschen auf.
    »Ist dein Freund ein bisschen seltsam?«
    »Arkadi? Gewöhnlicher als der ist kaum einer.«
    Lotte ging an den Bücherregalen entlang. »Offenbar liest er wirklich gern.«
    »Dein Bier. Ich fürchte, es ist warm.«
    Lässig sagte sie: »Das ist englisch. Warmes Bier ist englisch, kaltes ist amerikanisch.«
    »Okay, hier ist dein englisches Bier.« Er kam sich weltfremd vor. Sie in Arkadis Wohnung zu bringen, war ein Fehler, das wusste er. Das ging alles zu schnell, aber er hatte nichts anderes, wohin er sie mitnehmen konnte. Er rechnete damit, dass sie sich mit irgendeiner Ausrede über eine Vorlesung oder eine früher getroffene Verabredung davonmachen würde. In der offiziellen Schachwelt war er Bodensatz. Zum Glück wusste er, wie man die Figuren bewegte. Schach war voller Fallen, Gambits, der Führung eines Freibauern oder der Bedrohung durch Türme, ausgerichtet wie Kanonen. Das war Drama. Die Sizilianische Verteidigung roch nach düsteren Taten in finsteren Gassen. Jede Notation las sich wie eine Geschichte. Ein Spieler konnte auf noch so niedriger Stufe stehen, er ging stets auf Tuchfühlung mit den Unsterblichen des Spiels. Morphy und sein Schuhfetischismus. Fischer, das Genie, und Fischer, der Spinner. Der abgeklärte Capablanca und Alekhine, ein Gierschlund, der mit den Fingern aß und an einem Beefsteak erstickte.
    Außer Schach haben wir nichts gemeinsam, dachte Schenja. Ein kleines Abenteuer mit einem Schachzocker, so würde sie den Tag in Erinnerung behalten. Er schätzte sie auf etwa neunzehn, damit war sie mehr als ein Jahr älter, und wahrscheinlich hatte sie ein voll verplantes Leben vor sich – ein Jahr der Rebellion, gefolgt von ein paar unbedeutenden Schachtrophäen, der Hochzeit mit einem Millionär, Kinder, eine Reihe von Affären mit Oligarchen, schließlich in Monte Carlo über Bord geworfen.
    »Was hast du für Pläne?«, fragte sie.
    »Pläne? Zur Armee gehen und mir das Hirn einschlagen lassen.«
    »Ehrlich, was willst du wirklich?«
    »Reich sein, nehme ich an. Ein anständiges Auto haben.«
    »Wie ist es mit einem Zuhause?«
    »Das wohl auch«, sagte Schenja, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, wie dieses Zuhause aussehen würde.
    »Du bist so ausweichend.«
    Sie hatte gut reden, doch er wusste, wenn er ihr die Wahrheit sagte, würde sie Reißaus nehmen.
    »Die Sache ist kompliziert.«
    »Sie ist einfach. Ich habe gehört, du hättest jemanden erschossen.«
    »Wer sagt das?«
    »Alle. Deswegen haben sie Angst, mit dir Schach zu spielen.«
    »Du hast keine Angst.«
    »Weil ich rothaarig bin. Jeder weiß, dass Rothaarige verrückt sind.« Mit ernsterer Stimme fügte sie hinzu: »Werde nicht wie mein Großvater. Sei kein Feigling.«
    »Was sollte ich dann werden?«
    »Jemand.«
    »Ich komme zurecht.«
    »Ach ja?«
    »Ich führe ein

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