Tatort Mallorca - Die Tote in der Moenchsbucht
hört sie sich tapfer sagen.
Kurze Zeit später stoppt das Fahrzeug hinter zwei Minivans am Rande eines großen, festgetretenen Platzes. Knorrige Olivenbäume hüten sein Rund, und Berge ragen zu beiden Seiten des Tales auf. Männer und Frauen stehen locker beisammen. An den weißen Gewändern erkennt Ulla die restlichen Mitglieder der Gruppe des Meisters. Die Angehörigen der zweiten Gruppe faszinieren sie durch den zur Schau gestellten Fantasiereichtum. Ihre farbenfrohen Sachen leuchten wie bunte Blumen im Morgenlicht. Ein Mann schleppt Trommeln aus einem der Wagen herbei. Ulla atmet erleichtert auf. Ihr Unbehagen weicht einer gespannten Erwartung. Ein Quäntchen Angst bleibt. Der Meister ist ausgestiegen und wartet auf Ulla. Er drückt kurz ihre Hand und flüstert ihr zu: „Wird es gehen?“ Sie registriert es dankbar. Sein zweiter Satz: „Die schönen Dinge im Leben sollten wir zulassen und sie genießen“, verwirrt sie, ebenso wie der zärtliche Blick, der die Worte begleitet. Sie errötet bis zu den Haarwurzeln, als ihr ein möglicher Grund dafür einfällt. Hat der Meister aufgrund seiner übersinnlichen Kräfte erraten ...? Weiß er von ihrer Nacht mit Enno in seinem Haus? War Ennos Besuch Wirklichkeit? Nicht nur ein Traum? Sie lächelt verlegen. Er zwinkert ihr ermutigend zu.
Die Luft scheint sich zu klären. Kohlebecken werden auf dem Boden verteilt und in ihnen Kräuter zum Brennen gebracht. Kleine Rauchfahnen kräuseln sich aus ihnen heraus zum Himmel.
Ulla meint, Anis zu riechen. Die Vögel lärmen in den Bäumen um sie herum. Es wird langsam hell. Das fahle Licht der Sonne versteckt sich noch hinter dem Berg, aber schickt bereits erste Boten hinüber. Einige Trommeln stehen schon im Kreis.
„Bleiben Sie hier stehen, Ulla.“ Sie gehorcht. Eine Trommel wird vor sie abgestellt. Der Meister tritt zu Gwen, die etwas entfernt steht, schließt sie in die Arme und flüstert ihr etwas zu. Erst danach geht er von einem zum anderen und begrüßt die Gruppenmitglieder mit je einem Kuss auf die Wange. Bei einer Frau verweilt er länger. Unschwer kann Ulla sie als Leiterin der anderen Gruppe ausmachen. Sie bildet einen natürlichen Mittelpunkt. Ihre wilde, schwarze Mähne und die füllige Figur in den weiten, sonnengelben Umhängen tanzen unter ihren lebhaften Bewegungen, so dass sie Ulla vorkommt wie Tukan, der auf und ab hüpft. Sie gefällt ihr so gut, dass Ulla sich gern in ihrer Nähe aufhalten würde, doch sie traut sich nicht. Gwen stellt sich neben sie. Der verschwommene Blick dieser Frau löst Ullas vorsichtig aufgekeimtes Wohlbefinden in Nichts auf.
Inzwischen haben alle ihren Platz eingenommen, der Meister steht Ulla fast gegenüber, neben ihm die Leiterin der anderen Gruppe. Sie beschließt, den Blick an ihr festzumachen und die neben ihr stehende Gwen zu ignorieren. Ihr Magen brummt vor Nervosität, ihre Nerven sind gespannt wie Bogensehnen.
Ein ganz sachtes, leises Trommeln setzt ein. Ulla kann gerade noch denken, mein Gott, ich habe noch nie getrommelt, ich bekomme das nie auf die Reihe, als eine zweite Trommel sanft und verhalten antwortet. Die Sonne kriecht vorsichtig über die Spitze des Berges, zieht allem die Farbe von blasslila Bougainvilleablüten über und gibt damit einen Vorgeschmack auf ihr Erscheinen. Von einem Augenblick auf den anderen setzt sie sich voll in Szene und übergießt die trockene, rotgelbe Lehmerde mit flüssigem Gold. Das Vogelgezirpe und Gezwitscher schwillt für einen Augenblick an. Eine der Trommeln konkurriert mit den Vögeln, die anderen fallen ein und übertönen das Orchester der Natur.
Einige Personen im Kreis wiegen sich bereits selbstvergessen hin und her. Noch fühlt Ulla sich als Außenstehende, bis sie vorsichtig den Rhythmus erst mit einem, dann mit dem anderen Fuß aufnimmt. Ein monotoner Singsang wird angestimmt. Die Stimmen variieren den Klang der Trommeln in einer höheren Tonlage:
Bumm, bumm, bum, bum, bum. Bumm, bumm, bum, bum, bum ...
Wie ein Resonanzboden fängt ihr Bauch die tiefen Töne auf. Ullas Hand versucht unbeholfen ebenfalls zu trommeln.
Bumm, bumm, bum, bum, bum.
Nach ein paar Versuchen füllen sich ihre Finger mit Blut, werden warm und gleiten bald flink über die mit Tierhaut bespannte Fläche. Das Spiel beginnt ihr Spaß zu machen. Noch traut sie sich nicht, selbst zu tönen, sondern gibt sich nur dem Lauschen hin.
Die Trommeln werden leiser und schweigen. Hetyeis tiefe Stimme meldet sich. In dem eigentümlichen Singsang
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