Tatort Mallorca - Die Tote in der Moenchsbucht
den Bus zu den anderen steigt.
Kapitel 25
„Ciao, Enno, stai bene? Sei stanco?“ fragt di Flavio seinen Kollegen mitfühlend. Er kann ein Schmunzeln nicht unterdrücken. „War es so schlimm? Du siehst ziemlich mitgenommen aus.“
Auch Enno grinst. „Geballte Frauenpower nach mehreren Monaten Enthaltsamkeit, das fordert ...“
„An deinem siegesbewussten Gesichtsausdruck erkenne ich, dass du den vollen Einsatz gebracht hast.“
„Claro. Aber sag mir lieber, wie du dir das heute vorstellst. Was soll ich deinem Verein erzählen? Schön hast du es übrigens hier, der Blick über den Hafen. Wenn ich hier wohnen würde, wäre ein Segelboot fällig.“
„Bei Segelboot fällt mir ein, wir – oder besser Ernesto, Hauptkommissar Garcia – hat gestern ein herrenloses aufgefischt. Es gehört einem deutschen Staatsangehörigen, der seit einiger Zeit seinen Wohnsitz in Mallorca hatte. Fällt somit in die EU-Zuständigkeit, oder? Meine Truppe ist ganz heiß auf den Fall, nachdem alle die Tote in Augenschein genommen haben. Ich zeige dir mal, was ich gestern noch herausgefunden habe.“
Di Flavio geht mit Enno zu einem Monitor und stellt den PC an. Kurze Zeit später taucht das Bild einer Frauenleiche auf.
„Warte, ich hole den gestrigen Fund dazu.“ Der Commissario stellt beide Bilder nebeneinander.
„Si, das ist verblüffend. Eindeutig das gleiche Täterverhalten und dieselbe Symbolik. Wo war der erste Mord und wann?“ fragt Enno interessiert.
„Vor vier Jahren, jetzt halt dich fest, auf Sizilien, in der Nähe von Céfalu. Allerdings hatte die Leiche keinen Ehemann, der sich dann umbrachte. Aber ein Boot wurde gesehen.“
„Und gibt es noch weitere Fälle?“
„Nein. Aber bei beiden Opfern führte eine Vergiftung durch Belladonna zum Tod. Erst nach dem Exitus wurden die Verstümmelungen beigebracht.“
„Gruselig, wer tut so was? Aber das frage ich mich bei jeder Tat. Manchmal denke ich, ich sollte den Beruf wechseln und Bauer werden, solange ich noch nicht zu alt dafür bin.“
„Oha, du willst den Bauer für deine Holde geben, interessant. Meinst du, du hältst das aus, Enno?“
„Ja, ja, lästere nur, findest du unseren Beruf nicht auch pervers? Jedenfalls manchmal?“
„Sicher. Das Gefühl, eine Situation schon erlebt zu haben und ihr trotzdem wieder genauso hilflos ausgeliefert zu sein, ist trostlos. Pass auf, du erzählst jetzt meiner Truppe einfach von deiner Arbeit, wie, was, wo. Streu ein paar Paragrafen ein, an gelebten Beispielen können sie die trocknen Dinger am besten behalten. Ich gehe inzwischen zu Ernesto und schaue, was ich zu dem Fall noch herausfinden kann. Nach der Pause tüfteln wir gemeinsam daran. Wann ist deine Ulla heute mit ihrem Vortrag dran?“
„Um 15 Uhr.“
„Vielleicht kann ich dir eine Stunde freigeben, wenn du mir versprichst, wiederzukommen.“
„Mal sehen, ich telephoniere mit ihr, vielleicht ist es ihr lieber, wenn wir uns erst heute Abend sehen.“
„Ist ihre Freundin Julia eigentlich auch da?“ Di Flavio lächelt bei den Worten still in sich hinein. Er sieht Julias grüngraue Augen vor sich und erinnert sich an den schelmischen Ausdruck in ihnen. Schnell wischt er die Gedanken beiseite. Sie hat ihre eigenen Probleme, und er will keine dieser Art mehr, die den Waffenstillstand mit Erica gefährden würden.
„Ich glaube, ja. Aber ich werde Ulla fragen.“
„Nein, nein, nicht nötig. Wobei, doch, lass Julia von mir grüßen. Aber jetzt, andiamo.“
„Buenos días, Commissario“, grüßen ihn die eintrudelnden Auszubildenden.
Er lächelt ihnen zu, und als alle versammelt sind, geht er nach vorn: „Guten Morgen. Ich freue mich, euch Enno vorstellen zu können. Er kommt wie ich aus Tropea, Kalabrien. Ich bitte euch, kein Wort darüber gegenüber anderen verlauten zu lassen. Das betrifft sowohl seine Identität als auch den Inhalt dessen, was er euch erzählen wird. Wie ihr wisst, arbeitet er verdeckt. Ein Job, den manche von euch anstreben. Aber jetzt blamiert mich nicht. Ich lasse euch die nächsten zwei Stunden mit Enno allein.“ Er zwinkert ihnen zu. Beim Hinausgehen sieht er die gespannten Gesichter und grinst, weil sich in Tanjas Miene unverhohlene Bewunderung spiegelt.
Ulla muss aufpassen, denkt er und schließt leise die Tür.
„Hola, Ernesto, was gibt es Neues in unserem Fall?“ fragt er wenig später den Hauptkommissar in dessen Bürozimmer. Es hat keine Aussicht auf den Hafen, sondern nur auf das dahinter erbaute Gebäude.
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