Tatort Mallorca - Die Tote in der Moenchsbucht
tragen.
Heute scheinen sich ja alle an mich zu erinnern, denkt sie, als Gwen, mit einem strahlenden Lächeln und einem Frühstückstablett bewaffnet, auf ihren Tisch zusteuert. „Guten Morgen, Ulla, geht es Ihnen wieder besser? Sie sehen phantastisch aus. Ich wünschte, ich hätte Ihre herrliche Haut, beneidenswert.“ Offensichtlich ist heute wirklich der Tag der Komplimente. Ulla grinst in sich hinein. Die eisige Lady kann anscheinend auch Charme versprühen.
„Der Meister hat mir gerade erzählt, dass Sie Monica kannten. Wie interessant. Waren Sie länger in Sizilien tätig? Sie wissen ja, das Capo Vaticano, meine neue Heimat, liegt nur einen Sprung weit entfernt.“
Gwens Augen schimmern feucht. „Ach wissen Sie, das ist eine lange Geschichte und nicht die glücklichste in meinem Leben.“
„Wenn Sie nicht wollen, brauchen Sie nicht zu antworten, ist schon okay.“ Ulla legt kurz ihre Hand auf Gwens. „Wirklich.“
„Es ist eigenartig, Monica war meine Patientin, doch damals tröstete sie mich und nicht ich sie. Sie war eine bemerkenswerte Frau, schade, dass ich mein Versprechen, sie zu besuchen, nie wahr gemacht habe. Und dann war es zu spät.“ In Gwens Stimme schwingt Bedauern. „Ich hatte eine verkorkste Liebesbeziehung hinter mir. Ein Kollege, natürlich verheiratet. Ich erwartete ein Baby und trieb es auf sein Verlangen hin ab. Nein, das ist nicht richtig. Es war mein Entschluss, ich konnte nicht zu dem Kind stehen. Es war einfacher, es wegmachen zu lassen. Danach bin ich aus Deutschland fortgezogen, so weit weg wie möglich. Ich blieb ein paar Jahre in Sizilien. Ich lernte Hetyei kennen, als er mit seiner kranken Frau dort war. Sie kamen mit dem Schiff aus Guatemala. Wir konnten ihr nicht helfen. Später gründete er auf Mallorca die Gruppe und schrieb mir. Im darauffolgenden Jahr schloss ich mich ihm an.“
„Der Meister erzählte mir, dass Sie ein Heilkraut meiner Mutter interessiert, das ungewollte Schwangerschaften auf natürlichem Weg unterbindet. Sind Sie wegen Ihres eigenen Schicksals so an dem Mittel interessiert?“
„Sehen Sie, ich kann keine Kinder mehr bekommen, weil meine Abtreibung nicht ganz sauber gemacht wurde. Dies würde ich anderen Frauen gern ersparen.“ Gwen zögert einen Moment. „Darüber hinaus könnte ich mir vorstellen, das Heilkraut innerhalb meiner Forschungen auch noch in anderer Form verwenden zu können.“
„Ich habe dem Meister versprochen, nachzuforschen, aber ich weiß nicht, wann ich wieder nach Kalabrien komme. Ich habe zwar vor, in Kürze überzusiedeln, aber diverse Hürden sind vorher noch zu nehmen. Mein Sohn braucht mich noch ab und zu, meine Freunde und ...“ und Enno ist noch nicht da, fügt Ulla hinzu, ohne es auszusprechen.
„Schade. Sie würden mir sehr helfen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir uns finanziell einigen. Ich weiß ja, dass Sie Geld benötigen, um Ihre Pläne zu verwirklichen, die ich im Übrigen gern unterstütze. Sie können mich jederzeit um Rat fragen. Keine Scheu. Es gibt ja Internet. Überlegen Sie. Ich habe schon daran gedacht, ob wir nochmals eine Séance versuchen. Vielleicht gelingt es uns, erneut mit Ihrer Mutter in Kontakt zu kommen. Wenn wir Glück haben, verrät sie uns ihr Geheimnis.“
„Ich denke darüber nach“, antwortet Ulla ausweichend.
„Ja, bitte.“ Gwen greift sich ihr immer noch volles Tablett und marschiert zurück in den Speisesaal. Ulla denkt: Wenn sie das Essen nur herumträgt, ist es kein Wunder, dass sie so mager ist.
Sie beißt in ihre Semmel. Der Kaffee ist inzwischen kalt geworden. Sie winkt die Bedienung zu sich und bittet um eine neue Kanne. Inzwischen hat die Sonne ihren Tisch erreicht und wärmt angenehm. Sie nimmt sich vor, ihrem Sohn Dennis eine Karte zu schreiben, überlegt, wie sehr er ihr fehlen wird, wenn sie einmal unten in Italien leben wird. Doch allzu häufig bekommt sie ihn zurzeit nicht zu Gesicht. Aber wer weiß, dann besucht er sie in den Semesterferien, und sie haben mehr voneinander als im Augenblick. Bei ihren Überlegungen tippen ihre Finger rasch eine SMS für Dennis ein. Zum Glück ist sie jetzt allein, und niemand will mehr mit ihr frühstücken. Sie kann den Blick auf das Meer genießen. Die Wolken haben sich verzogen. Ein wenig Wind ist aufgekommen, und Sonne und Wind streiten sich um ihre schöne, blaue Geliebte, das Meer. Sie spiegelt sich eitel im Himmel und glitzert betörend.
Kapitel 27 – Am Nachmittag
„Endlich, ich sitze schon wie auf
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