Tatort Mosel
und glotzte in die Tüte.
Walde ging wieder zu Gabi zurück. Dabei ließ er den Blick durch den Raum schweifen. Die übrigen Anwesenden taten so, als wären sie mit anderen Dingen beschäftigt.
Gabi hatte sich eine Zigarette angesteckt und blies den Rauch aus dem Fenster. Walde wusste nichts mit dem angebissenen Bagel in seiner Hand anzufangen. Fast hätte er ihn aus dem Fenster geworfen. Er entschied sich dafür, ihn in die Tüte zurück zu stopfen, kam aber nicht dazu. Grabbe riss ihm die Tüte aus der Hand.
»Da ist sie ja, ich hab sie schon gesucht, wäre ja nicht das erste Mal, dass im Polizeipräsidium«, Grabbe senkte die Stimme, »etwas geklaut worden wäre.«
»Gehören die dir?«, fragte Walde verdutzt.
»Schmecken sie nicht?«, er sah auf den angeknabberten Bagel in Waldes Hand.
»Doch, doch«, Walde biss ein Eckchen ab. »Ich hab nur gerade …« Er warf Gabi einen Blick zu, in den er alles zu legen versuchte, zu dem er an einem Morgen wie diesem fähig war.
*
Stiermann kam, gefolgt von Staatsanwalt Roth, Monika und einem Tross Journalisten, in den Saal geeilt. Walde hatte kaum Platz genommen, als Stiermann schon seine englischen Zahlenkenntnisse ins Mikrofon spuckte: »Test, one, two … test, one, two …« Es fehlte noch, dass er den Journalisten Are you ready? zugerufen hätte.
Er beließ es bei einer kurzen Begrüßung und der Vorstellung der am Pressetisch Anwesenden, bevor Monika gewohnt souverän den neuen Fall schilderte und die Maßnahmen der Polizei darstellte, die hauptsächlich aus der Bildung einer Sonderkommission mit der damit einher gehenden Aufstockung des Personals und dem Hinzuziehen von Spezialisten verbunden war.
Als Walde das Wort erteilt wurde, bat er die Presse, zu erwähnen, dass sich Zeugen bei der Polizei melden sollten, die verdächtige Beobachtungen im Umfeld der beiden Taten gemacht hatten. Besonders an diejenigen sollte appelliert werden, die verdächtige Schreiben erhalten hatten.
Die Mehrheit der Fragen, die anschließend gestellt wurden, bezog sich auf den Zusammenhang zwischen den beiden Morden und der möglichen Gefährdung weiterer Personen aus der regionalen Wirtschaft.
Zwei Stunden später war die Besprechung, in der die weitere Vorgehensweise koordiniert worden war, zu Ende. Walde hatte soeben hinter seinem Schreibtisch Platz genommen und ein Telefonat begonnen, als mit einem Mal ein hell gekleideter Mann mit Woody-Allen-Brille und zwei prall gefüllten schwarzen Aktentaschen in seinem Büro stand. Walde hatte sein Hereinkommen nicht bemerkt, weil er während des Gesprächs seinen Stuhl mit dem Rücken zur Tür gedreht hatte. Der Mann stellte beide Taschen rechts und links von sich ab und blieb dazwischen stehen, während Walde beim Telefonieren überlegte, ob der Fremde sich verlaufen haben könnte. Endlich war das Gespräch beendet, in dem es Walde nicht gelungen war, mit Hirschner verbunden zu werden, und er sich damit hatte begnügen müssen, von seiner Sekretärin einen Termin für den Nachmittag zu erhalten.
»Tag, Weiler, LKA, der Profiler«, stellte sich der Mann vor.
Es lag Walde auf der Zunge zu antworten,und ich bin Waldemar, der Kommissar1, aber er wusste sein Gegenüber nicht einzuschätzen. Er bot ihm einen Stuhl an. Dabei bemerkte er, dass der Mann einen kleinen Rucksack trug.
»Entschuldigen Sie, dass ich mitgehört habe, aber Sie haben auf mein Klopfen nicht reagiert. Es handelte sich vermutlich um eine prominente Persönlichkeit.«
»Ja, so kann man es ausdrücken.«
»Ein Mann mit Geld, Macht und Ansehen?«
»So genau kann ich das nicht sagen, da müssen Sie unseren Präsidenten fragen, der kennt ihn besser.«
»Dann wird er wahrscheinlich über mindestens zwei der geschilderten Attribute verfügen. Sonst hätten Sie ihn einfach einbestellen können.«
»Das erinnert mich an unsere afrikanischen Kollegen, mit denen ich gestern gesprochen habe. Die handhaben das so.«
»Und?«
»Mich interessiert nicht nur, was die Leute zu sagen haben, ich schaue mir auch gern ihr Umfeld an.«
»Das ist ganz meine Ansicht, wobei ich auch gerne schnuppere, schmecke und fühle.«
»Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
»Danke, aber ich würde gerne gleich mit der Arbeit beginnen. Im ICE bin ich bestens versorgt worden.«
Seit wann wurde Trier von einem ICE angefahren, überlegte Walde, als er Weiler zum Erkennungsdienst brachte. Er trug eine der beiden Taschen, die so schwer war, als wäre sie randvoll mit Backsteinen gefüllt. Dann
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