Tatort Mosel
erzählt. Übrigens soll morgen früh die nächste Sonderausgabe erscheinen.«
»Ist ja toll, dann machen wir weiter, wenn wir das Käsblatt auf dem Tisch liegen haben«, nörgelte Roth.
*
Innerhalb weniger Minuten hatten die meisten aus der Runde das Präsidium verlassen. Nur Grabbe saß wieder in seinem Büro vor dem Rechner, als Walde bei ihm hereinschaute.
»Willst du nicht mal nach Hause gehen?«
»Doch gleich, ich prüfe nur noch was nach.«
»Wie geht’s denn, bist du okay?«
»So ein bisschen Moselwasser wird mich wohl nicht gleich umbringen.« Grabbe sah nicht von seinem Rechner auf.
In der dunklen Glasfassade des Hallenbades spiegelte sich einsam das erleuchtete Fenster von Grabbes Büro aus dem gegenüberliegenden Präsidium. Die Zeiger der Uhr auf der Backsteinmauer des alten Gebäudeteils des Stadtbades standen kurz vor zwei Uhr, als Walde die Allee überqueren wollte. Ein Taxi kam heran gebraust. Bis Walde sich endlich entschieden hatte, ob er es herbeiwinken sollte, war es vorbei. Kein Fußgänger war mehr auf der Straße. Walde bog in die schmale Kuhnenstraße ein. Es begann zu tropfen. Das hatte ihm noch gefehlt! In Höhe des Kellereigebäudes der Bischöflichen Weingüter hörte er leise Schritte hinter sich. Er blickte sich um. In keinem der Fenster in den gegenüberliegenden Wohnhäusern brannte noch Licht. Vor den Häusern parkte eine Reihe Autos, auf die der einsetzende Regen ein leises Stakkato trommelte.
An der langen Mauer des Priesterseminars blickte sich Walde nochmals um. Etwas Dunkles huschte in eine Einfahrt.
Der Regen ließ etwas nach. Waldes Haare lagen fest an den Kopf geklatscht. Er eilte mit großen Schritten weiter. An der Ecke zur Neustraße drehte er sich blitzschnell um. Niemand folgte ihm.
In der Brotstraße nutzte er jede Überdachung der lückenlos ineinander übergehenden Schaufenster, um dem zwar leichten, aber unvermindert anhaltenden Regen zu entgehen. Beim Anblick der leeren Straße hatte Walde das Gefühl, allein auf der Welt zu sein.
Statt quer über den Platz zu gehen, nahm er einen Umweg im Windschatten der Häuser rund um den Hauptmarkt in Kauf. Unter den Bögen der Steipe klingelte sein Telefon.
Er dachte an Doris, oder war schon wieder etwas passiert? Sollte er überhaupt ran gehen? Dann drückte er doch auf Empfang.
»Ja?«
Erst antwortete niemand. Dann flüsterte eine Stimme: »Achtung! Sie werden verfolgt.«
Walde blieb stehen. Obwohl er es nicht wollte, drehte er sich doch um. In dem Moment zupfte ihn jemand heftig am Ärmel seiner Jacke. Er schrak zusammen und riss die Arme angewinkelt vor die Brust. Dabei polterte das Handy auf die Pflastersteine.
Neben Walde leuchtete unter einer Markise ein roter Punkt auf, Rauch stieg ihm in die Nase. Jetzt wurde ihm klar, wo er sich befand.
»Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Arsch.« Walde bückte sich, steckte das Telefon ein, ohne nachzusehen, ob es Schaden genommen hatte, und ging weiter.
»He, komm, das war nur ein Scherz.« Uli versuchte, ihn am Arm zurückzuhalten.
»Fass mich nicht an.« Walde schüttelte ihn ab.
»He, Walde, sorry, ich wusste nicht, dass du so schreckhaft bist.«
Walde setzte seinen Weg unvermindert fort.
»Wir müssen miteinander reden.« Uli versuchte, mit ihm Schritt zu halten. »Das mit dem Foto hatte mit dir nichts zu tun, das war reine Solidarität unter Journalisten.«
»Nennst du dieses Schmierentheater Journalismus?«
»He, wenn du das nicht auf dem Foto gewesen wärst, sondern dein Kollege Grabbe, hättest du wahrscheinlich gelacht.«
»Mit dem bist du ja auch nicht befreundet«, brummte Walde.
»Du hast doch immer darauf bestanden, dass wir Job und Freundschaft voneinander trennen.«
»Ja, aber …« Walde war unter einem Erker stehen geblieben und untersuchte nun doch sein Handy: »Hast du mich gerade angerufen?«
»Ja, ich habe dich um die Häuser schleichen sehen. Das war eine Schnapsidee. Entschuldige, funktioniert das Ding noch?«
Statt einer Antwort klingelte Ulis Telefon.
»Scheint noch in Ordnung zu sein.« Walde steckte sein Handy wieder ein.
»Komm, trinken wir einen Schlummertrunk«, bot Uli an.
»Hab keinen Durst, bin schon nass genug.«
»Einen Calvados zum Aufwärmen.«
Uli ließ sich nicht lumpen. Er stellte seinen teuersten Calvados auf die Theke. Beim ersten Glas deutete Walde mit einer kaum merklichen Bewegung ein Prosit an. Beim zweiten war er bereit, mit Uli anzustoßen.
Der schob ihm stumm ein Käsblatt
Weitere Kostenlose Bücher