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Tatort Mosel

Tatort Mosel

Titel: Tatort Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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fuhr. Von der Libanonzeder bis zum Ginko schien kein Baum unter fünfzig Jahre alt zu sein.
    Der Asphalt ging abrupt in Kies über. Knirschend fuhr er in einen Wendekreis vor ein dicht mit Efeu bewachsenes Haus.
    Neureiche Deppen, dachte Walde, ein Ausdruck, den er häufig von seinem Vater gehört hatte und den er selbst für gewöhnlich nicht benutzte. Waldes Vater hatte sich oft beim täglichen Essen im Familienkreis über Kunden aufgeregt. Wenn dann das Wort neureich fiel, griff jedes Mal seine Mutter ein, die mit der Ausdrucksweise ihres Mannes ganz und gar nicht einverstanden war. Als Sozialistin konnte sie es nicht dulden, dass nur die Tatsache, dass ein Mensch nicht reich geboren war, anderen einen Grund geben konnte, ihm übel nachzureden. Einmal hatte sie gesagt, Jenny Marx’ Geist habe sie durchweht, seitdem sie in diesem Haus wohne. Sein Vater hatte sich über sie lustig gemacht. Karl Marx hatte tatsächlich ein paar Jahre seiner Kindheit in diesem Haus verbracht, aber Jenny, seine spätere Ehefrau, hatte dort nie einen Fuß über die Schwelle gesetzt …
     
    Jemand öffnete den Wagenschlag. Es war eine Frau in engen schwarzen Jeans mit einer dunklen Bluse darüber. Was machte Sonja hier?
    »Guten Tag, Herr Bock, ich führe Sie hinein.«
    Die Stimme gehörte nicht Sonja. Wie lange hatte er in der Einfahrt gestanden? War er womöglich eingenickt? Walde folgte der Frau, deren Namen er am Telefon und auch jetzt nicht verstanden hatte. Er verwarf den Gedanken, sie danach zu fragen.
    Sie führte ihn um das Haus herum auf eine terrakottafarbene Terrasse. Ein ernst blickender grauhaariger Mann erhob sich aus seinem Stuhl, um Walde zu begrüßen. Walde erkannte den elegant gekleideten Herrn vom Nebentisch des Le Coq rouge wieder, zu dem sich Stiermann gesetzt hatte.
    »Ist es Ihnen hier draußen warm genug oder sollen wir ins Haus gehen?« Hinter ihm öffnete sich ein grandioser Blick auf die Stadt aus einer Perspektive, die Walde noch nicht kannte. Um die Römerbrücke funkelte die Mosel im Licht der Nachmittagssonne.
    »Danke.« Walde ließ sich in das feste Polster des angebotenen Sessels sinken. »Schön, dass Sie sich Zeit genommen haben.« Walde hörte sich selbst zu. Was redete er da? Wurde auch er von dem Rücken krümmenden Virus infiziert, das viele Leute in Gegenwart von Typen wie Hirschner befiel?
    »Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, mich aufzusuchen.« Hirschners Ton war nicht minder freundlich als der von Walde: »Was darf ich Ihnen anbieten? Wein, Kaffee, Espresso, Wasser …«
    »Ein Espresso wäre genau das Richtige.« Walde hörte noch immer einen leicht unterwürfigen Tonfall in seiner Stimme. Er beobachtete den Mann, der mit einem Blick den Wunsch seines Gastes an die Frau mit der atemberaubenden Figur weitergab. Emma Peel, aus Mit Schirm, Charme und Melone. Und Hirschner hatte auch etwas von John Steed, so wie er sein Haar trug. Etwas zu lang für einen Geschäftsmann. Er sah eher wie ein Künstler aus.
    »Schöner Ausblick.«
    »Ich hatte Vorjahren mal eine Fototapete. Mit der Zeit erinnert mich das hier daran.« Hirschner wies mit leidenschaftslosem Blick über die niedrige Steinbalustrade. »Am Anfang habe ich die Streifenwagen und die Feuerwehr beobachtet, wie sie mit Blaulicht durch die Straßen gerast sind. Von hier oben konnte ich genau sehen, wo was passiert ist. Aber um das zu hören, sind Sie bestimmt nicht gekommen.«
    »Ich suche alle Personen auf, die zuletzt mit Herrn Räumer Kontakt hatten.« Walde hörte sich in typischer Polizistensprache reden.
    »Das habe ich mir schon gedacht«, war die Antwort.
    »Sie sind der Letzte in der Runde des Aktivkreises aus dem Muselfesch, den ich aufsuche.«
     
    Emma Peel servierte den Espresso auf dem kleinen Tisch, der die Maße eines Schachbretts hatte. Walde trank den Espresso in kleinen Schlucken.
    »Noch einen?«
    Walde nickte und schaute den schwingenden Hüften von Miss Peel nach. Er nahm den Faden wieder auf: » Aktivkreis, was bedeutet das überhaupt? Können Sie mir das erklären?« Walde fand seine Neugier wieder.
    »Das ist eine gute Frage.«
    Wie oft hatte Walde diesen Satz schon gehört, wenn jemand Zeit schinden wollte.
    »Ich denke mal«, setzte sein Gegenüber zu einer Erklärung an, »dass sich hier Leute gefunden haben, die parteiübergreifend und vollkommen unabhängig von Institutionen ihre Interessen verfolgen wollen.«
    »Die da wären?«
    »Etwas für die Stadt zu tun, ihre Stellung nach innen

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