Tatort Oktoberfest (German Edition)
Brauen, ein starker Busen, der sich jetzt vor Anspannung hebt und senkt. Nein, sie ist nicht unbedingt schön, sie wirkt weich und mütterlich, eine Frau, zu der man gern nach Hause kommt.
„Was ist geschehen?“ fragt di Flavio sie jetzt in seiner Muttersprache.
Als würden bei diesen Worten die Schleusen vollends geöffnet, beginnt sie zu weinen. Di Flavio nimmt sie einfach in den Arm und streicht ihr mit der Hand beruhigend über den Kopf. Er sagt eine Weile nichts, bis sie sich befreit und aufschaut: „Entschuldigen Sie bitte. Luigi … Dieser Schuft ist verschwunden, ist abgehauen. Hat mich verlassen, einfach so. Wahrscheinlich ist er bei dieser …“ Jetzt versagt ihre Stimme. „Am besten, Sie kommen ein anderes Mal wieder, ich muss mich jetzt um unseren Sohn kümmern, tut mir leid.“
„Gut, das werde ich. Aber wenn Sie wissen, wo er ist, bitte, sagen Sie es mir. Es ist wichtig.“ Der Commissario fingert eine Karte mit seiner Telefonnummer aus seiner Jackentasche und legt sie auf den Tisch.
Sie nimmt keine Notiz davon, sondern greift wortlos nach dem Stoß Zeitungen daneben und drückt ihm die Blätter in die Hand. „Hier ist er. Bei ihr!“
Di Flavio wirft einen Blick auf die rotumrandeten Abbildungen. „Wir drücken dir die Daumen, Claudia“, steht unter dem Bild, das eine junge, schöne Frau zeigt, die in einem sehr teuren Abendkleid auf einem roten Teppich steht und dem Betrachter zulächelt, als würde sie ihn einladen, sich einzuhaken und sie zu begleiten. „Diese Claudia? Ist das Ihr Ernst, Frau Rezzo, sie und Luigi?“
Ein erneuter Weinkrampf überfällt Luigis Frau. „Ja, dieses Luder, diese Schlampe! Hat sich meinen Mann gekrallt, dabei weiß sie, dass er verheiratet ist und wir ein Kind haben. Mein armer Mario“, stößt sie zwischen lauten Weinanfällen hervor. „Dabei kann sie jeden haben, warum Luigi? Warum nur? Natürlich ist sie schöner als ich, hat mehr Geld. Aber was, ich frage Sie, was will sie von ihm? Er hat seinen guten Job, er ist ein braver Mann, ist fleißig und gibt kein Geld für das Spielen her, ist sparsam, und bald hätten wir uns zu Hause ein Haus kaufen können, um in den Ferien und später … Ich verstehe es nicht. Habe ich ihm nicht alles gegeben? Warum bin ich ihm nicht mehr gut genug? Dieser Hurenbock, verdammter …“ Sie reiht noch eine Reihe Flüche an, die di Flavio in dieser Form schon lange nicht mehr gehört hat.
Ja, denkt er, jeder Mann ist ein Hurenbock. Sehnt er sich nicht auch gerade danach, seine Erica zu betrügen? Will er nicht auch gerade mehr als nur die Lippen von Julia spüren? Wünscht er sich nicht, die Linien ihres Körpers mit seinen Fingern zu ertasten, ihre Brüste zu umfassen und seine Zunge um ihr Allerheiligstes kreisen zu lassen? Ja, er ist auch ein Hurenbock. Warum? Weil die Frau, die an seine Seite gehört, ihn nicht mehr reizt? Oder weil sie nur noch nörgelt? Ihn nicht mehr liebevoll ansieht, und dieses Glitzern in ihren Augen schon vor längerer Zeit verschwunden ist? Es gibt so viele Gründe, warum es schwer ist, eine lange Wegstrecke als Liebespaar zu bewältigen. Irgendwann passt er oder sie nicht auf, und schon ist die Fantasie verschwunden, die alles möglich macht und das Begehren entfacht.
Die Frau in seinen Armen, denn er hat einfach wieder die Arme um sie gelegt, als sie anfing zu weinen und streichelt ihren Rücken, vielleicht hat sie ebenfalls irgendwann nur noch das Kind gesehen, und es war ihr wichtiger als der Mann? Aber das ist nicht sein Problem. „Ich sage Luigi, wenn ich ihn treffe, dass Sie ihn vermissen, einverstanden?“
„Nein, um Gottes willen, aber sagen Sie ihm, sein Sohn vermisst ihn.“ Und, als müsste sie sich erst überwinden, quetscht sie nach einer Weile heraus: „Doch, ja, sagen Sie ihm auch, ich vermisse ihn.“
„Kann ich Ihren Sohn sehen?“
„Ja, natürlich.“ Sie führt ihn in ein kleineres Nebenzimmer, in dem ein Kinderbett steht und all die Sachen, mit denen glückliche Eltern heute die Kinderzimmer ausstatten. Und di Flavio denkt daran, wie seine Kinder auch in diesen kleinen Bettchen lagen, und ein Gefühl der Rührung übermannt ihn, als er den schlafenden kleinen Kopf mit dem spärlichen, dunklen Haarflaum betrachtet. „Wie alt ist Ihr Sohn?“
„Er ist vor acht Monaten auf die Welt gekommen. Ist er nicht hübsch? Er sieht Luigi so ähnlich.“
„Ich muss gehen“, verabschiedet er sich, weil er den Anblick kaum aushält und wirklich nicht versteht, wie ein Mann
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