Tatort Oktoberfest (German Edition)
Leute Ihrer Firma als Erste bedienen“, war der Kommentar des Moderators gewesen. Der Mann arbeitet also für Ochshammer. Interessant. Das erleichtert die Sache. Er würde herausfinden, wie er heißt und welche Position er in der Hierarchie des Wurstfabrikanten bekleidet.
Di Flavio merkt erst jetzt, dass er sich zwischen lauter Landsleuten ein Plätzchen ergattert hat. Die italienische Sprache umgibt ihn wie ein schützender Mantel, und er lehnt sich das erste Mal an diesem Tag entspannt zurück. „Oh dio, Claudia muss gewinnen, wir drücken ihr die Daumen.“ Er erfährt, dass die Truppe jeden Tag mitfiebert, wenn Claudia auftritt.
Licht fängt sich in den breiten, rot-grünen Bändern, die von der Raumdecke flattern. Lüftlmalereien an den Wänden, ausgeführt in einer heiteren, beschwingten Malweise, zeigen historische Ansichten von München und anderen Orten aus der Umgebung. Sein Blick bleibt an der Andechser Abbildung hängen. Ihm kommt das Andechser, ein Bierlokal in der Innenstadt, in den Sinn, in dem das Bier so süffig wie Wein schmeckt.
„Ich bin Terzio, komm Bruder, trink mit mir eine Maß, ich geb dir eine aus.“ Die Gruppe ist schon ein wenig angeheitert. Die Krüge mit der ersten Maß sind bereits leer.
Di Flavio zeigt auf sein Stirnpflaster und wehrt ab: „Der Arzt hat mir Alkohol verboten.“
„Und da traust du dich auf die Wiesn? Wir sind nur hier, um uns richtig mit Bier volllaufen zu lassen. Nein, natürlich nicht, wir wollen unsere Claudia beschützen und ihr helfen.“
Di Flavio bestellt sich eine Cola und stößt mit ihnen an. Irgendwann fällt ihm ein, dass er ja eigentlich Erica treffen wollte. Auf der großen Leinwand erscheint gerade Claudia, seine Tischgenossen erheben sich und beginnen „Claudia, Claudia, Claudia …“, zu rufen. Sie lächelt und winkt ihnen zu. An ihrer Seite steht etwas linkisch ein junger Bursche in der Uniform des Märchenkönigs Ludwig. Der Commissario erinnert sich, das Gesicht schon gesehen zu haben. Richtig, der Junge hatte gestern mit dem anderen jungen Paar in Claudias Restaurant Pizza gegessen – allerdings ohne diese Maskerade. Dunkel fällt ihm ein, dass Julia ihm von ihrem Neffen erzählt hat, der in Ludwig-Klamotten über die Wiesn tingelt, um Souvenirs zu verkaufen. Mein Gott, die Welt ist klein.
„Mein Held“, erklärt Claudia gerade. „Nur ihm verdanken wir, dass das Bier wieder normal gezapft werden kann.“
„Wie haben Sie das zuwege gebracht?“ fragt die Moderatorin Ludwig.
Claudia wiegelt ab: „Das bleibt sein Geheimnis, Ludwig möchte mal Brautechniker werden und ist schon jetzt bestens informiert, nicht wahr? Einen Applaus für meinen jungen Freund.“ Der junge Bursche windet sich ein wenig verlegen, di Flavio sieht, dass er am liebsten davonrennen möchte. Aber als Claudia ihm dann ein Küsschen auf die Wange haucht, strahlt er. Ein hübscher Kerl, denkt di Flavio, greift zum Handy und wählt Julias Nummer. Als sie sich wirklich meldet, verflucht er die Idee, sich bei dem Getöse aus Musik, Gesang, Gegröle und Fernsehübertragung verständlich zu machen. „Hier di Flavio. Ich hoffe, du kannst mich verstehen?“
„Bist du im Bierzelt? Ich sehe die Sendung im Fernsehen.“
Unsinnigerweise antwortet er: „Du siehst die Sendung von der Wiesn? Dein Neffe Ludwig …, er hat sich gut geschlagen, ist der Held des Abends, ein hübscher Bursche …“ Irgendwann verhaspelt er sich, als ihm klar wird, dass das Geschehen nur ein Vorwand ist, sie noch mal anzurufen, ihre Stimme zu hören, die sich bei dem Thema Ludwig ausruht. Er versteht nur die Hälfte, aber es ist egal. „Ja, tatsächlich?“ fragt er mehr als einmal interessiert, und erst als sie sagt: „Schön, nochmals von dir zu hören“, rutscht ihm: „Ich bin noch etwas länger hier“, heraus. Sie schweigt. „Bist du noch dran?“
„Ja.“ Erneut Schweigen, dann: „Wollen wir uns noch mal treffen?“
Jetzt ist es an ihm zu schweigen, eine Sekunde oder so. „Ja, gern“, hört er sich sagen, und irgendwie ist das bierselige Getöse des Zeltes um ihn herum ohne Bedeutung, und er fühlt sich wie auf einer Insel. Dann legt er auf. In diesem Moment spielt die Kapelle einen Tusch, und es wird regelrecht ruhig im Saal. Er blickt seinen Banknachbarn an: „Che cosa …? Was passiert jetzt?“
„Pst, pst. Die Ziehung der Aufgabe.“ Gebannt richten sich alle Blicke zur Bühne. Ein Trommelwirbel ertönt. Ein Herr mit Anzug und Krawatte schreitet feierlich mit einem
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