Tatort Oktoberfest (German Edition)
Oktoberfest auf Freitag verschoben. Bist du dann noch vor Ort?“
„Ich weiß nicht, Erica, ich sag dir Bescheid. Ciao.“
Sich ihrer neuen Freiheit bewusst, genießt Claudia seine Unsicherheit und seinen gequälten Blick. Innerlich triumphiert sie. Lange genug hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als die Frau an seiner Seite zu werden. Jetzt nicht mehr. Sicher hätte er sie bald ebenso betrogen wie diese hier, die ihr ahnungslos lächelnd die Hand schüttelt. Ob sie Bescheid wusste? Vermutlich hat sie ihm den Rücken freizuhalten und sich mit seiner Untreue abgefunden. Vielleicht blieb sie trotzdem, wegen der Kinder, des Hauses und der sonstigen Annehmlichkeiten, schließlich ist er ein prominenter Zeitgenosse. Es ist nicht mehr ihr Problem, sondern seines und das seiner Frau. Sie lächelt und geht einfach weiter.
„Oh, Gräfin Weyenfels, schön, dass Sie heute Zeit hatten, bei meiner Promotion dabei zu sein.“
„Sie wissen doch, Claudia, ich bin eine Ihrer Bewunderinnen. Ich wünsche Ihnen viel Glück für den weiteren Wettbewerb.“
Als wäre das Stichwort gefallen, packt die Regieassistentin sie am Arm. „Kommen Sie, Claudia, wir müssen weiter, die Aufgabe …“
„Entschuldigen Sie mich bitte“, verabschiedet sie sich höflich und sieht Sonia lächelnd an. „Wieder hinten herum? Und muss ich mich vorher noch umziehen?“
„Nein, meine Chefin meint, es ist okay, dann wirkt es unmittelbarer. Aber beeilen müssen wir uns schon.“
Claudia lacht. „Wo ist denn mein Held, der Ludwig? Sie sollten doch auf ihn aufpassen und ihn mitbringen.“
„Oh, das habe ich vergessen, warten Sie, ich schau mal.“ Sie geht ein paar Schritte zurück zum Podium, kommt aber schnell zurück. „Tut mir leid, er ist weg. Wir können jetzt nicht …“
Claudia ärgert sich, doch dann konzentriert sie sich auf ihre Prüfung.
Ludwig wischt sich mit der Serviette den Mund ab, ihm war nicht bewusst, wie hungrig er war. Hatte er außer der Zuckerwatte überhaupt etwas gegessen? Ja, noch eine Schokobanane von dem Stand mit den glasierten Früchten und ein wenig Wurstsalat.
„Na, dir hat es aber geschmeckt. Isst du gern Italienisch?“ fragt ihn der Mann, der sagt, er heiße di Flavio und kenne seine Tante. Jedenfalls hat er ihn eingeladen, irgendwie sind die Italiener einfach immer nett. Wie der zu Hause in der Pizzeria nebenan oder Luigi. Igitt, Luigi. Das Handy. Immer noch ist es in seinem Besitz. Shit und nochmals Shit. Vor lauter Aufregung hat er es ganz vergessen. Er wollte es doch bei den Biercontainern verstecken. „Mhm, da kann man nich meckern.“
„Ich komme aus Süditalien, ganz unten. Kannst du dir den Stiefel vorstellen? An der Schuhspitze liegt Messina, da geht es rüber nach Sizilien und ein bisschen weiter oben, da ist so ein Höcker, eine kleine Beule, da liegt das Capo Vaticano. Das ist eine Halbinsel, schön grün, viel Landwirtschaft und sehr fruchtbar, und da gibt es einen sehr alten Ort, der heißt Tropea, und da bin ich zu Hause. Eigentlich. Aber jetzt bin ich schon seit einiger Zeit auf Mallorca in Palma tätig. Auch ein Feriengebiet, aber nicht in Italien, sondern in Spanien.“
„Ballermann, ick weeß.“
„Auf Mallorca gibt es nicht nur den Ballermann in Arenal, sondern auch sehr schöne, alte Orte und herrliche Landschaften, das Meer, Häfen und viel Natur, Berge.“
„Kann ick Sie mal besuchen?“
„Ja, warum nicht. Frag deine Tante, sie kennt sich aus. Apropos auskennen, wie kommt es denn, dass du so gut mit Schankanlagen umgehen kannst? Hast du das in Berlin in deinem Praktikum gelernt?“
„Mhm ja, nich direkt, aber so … Ick muss mal verschwinden.“
Di Flavio merkt, wie müde er plötzlich ist. Sein Kopf fängt schon wieder an zu brummen, als würde sich ein Schwarm Hornissen darin austoben. Am besten, er bringt den Jungen jetzt nach Hause, fährt anschließend in seine Übergangsbleibe und legt sich hin.
„Julia, bist du schon unterwegs? Du wolltest gerade losgehen? Bene, dann bleib bitte zu Hause. Ich bringe dir deinen Neffen, falls er sich bringen lässt. Warte, ich melde mich gleich.“ Nach einer Weile wird di Flavio unruhig. Er steht auf, bezahlt und sucht die Toilette. Unmöglich kann der Bursche so lange brauchen. Hoffentlich ist er nicht abgehauen, dann steht er blöd im Gelände. Er stößt die Toilettentür auf. Keine Spur von Ludwig, weder in den zwei Kabinen noch sonst wo in der Nähe. „Verdammt“, flucht er und überlegt. Dunkel erinnert er
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