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Tatort Oktoberfest (German Edition)

Tatort Oktoberfest (German Edition)

Titel: Tatort Oktoberfest (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Ludwig
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eine Zigarette zwischen die Lippen, nimmt sie wieder heraus, steckt sie zurück in die Schachtel. „Wir hielten uns recht und schlecht über Wasser, bis deine Mutter die Schankerlaubnis bekam, mit vielen Auflagen. Ein oder zwei Jahre führten wir wieder ein einfaches Gasthaus; sehr zur Freude deiner Großeltern. Jedes Mal, wenn sie aus Holzkirchen nach München kamen, sagten sie: ‚Siegst, Bua, des is was Gscheits.‘ Eines Tages kam Luigis Vater aus Kalabrien zu Besuch und machte mir den Mund wässerig. ‚Du versauerst doch hier, ich kann dir helfen, ich habe Geld und Beziehungen …‘ Nun ja, ich war sehr naiv oder wollte es sein und verschloss die Augen davor, dass Fabricio bei der ehrenwerten Gesellschaft eine große Rolle spielte. Du weißt, dass sein Tod Jahre später nie geklärt wurde? Was man munkelte?“
    Sie nickt. „Und Luigi?“
    „Luigi hat sich von seinem Vater abgewandt, als er es erfuhr. Er hat begonnen für die Gegenseite zu arbeiten, jedenfalls hat er, sehr vorsichtig, so etwas angedeutet. Nicht ausgeschlossen, dass ihm dies zum Verhängnis wurde.“
    „Und wovor hast du nun Angst?“
    „Luigi hat mich kurz vor seinem Tod angerufen, er hatte Angst, wollte aber nicht sagen, worum es ging. Aber er hat mich gewarnt, dass die ’Ndrangheta eine Schuld einfordern wird, wenn du …“
    „Wenn ich Wiesn-Wirtin bin?“ fragt sie ungläubig. Claudia ist perplex. Bei aller Liebe, das wäre ihr nicht in den Sinn gekommen, das entspricht nach ihrem Verständnis viel zu sehr den alten Klischees. Also haben die Zeitungsschreiber gar nicht so unrecht. Sie lacht bitter auf. „Ich habe nicht die geringste Lust verspürt aufzugeben, aber heute Morgen habe ich daran gedacht, ohne dieses Wissen, aus einer Stimmung heraus. Trauer, weil Luigi sterben musste und Schuldbewusstsein, weil ich Luigi gebeten habe, für mich bei dem Event zu spionieren, und weil ich ein paarmal mit Luigi geschlafen habe und jetzt Gewissensbisse habe. Seine Frau beschimpft mich permanent am Telefon, in ihren Augen trage ich die Schuld an seinem Tod. Und irgendwie fühle ich mich auch schuldig. Sie haben ihn als Werkzeug benutzt, um mich …“
    Ihr Vater verdreht die Augen: „Kind, warum musstest du auch mit ihm …“
    „Es war nicht von Bedeutung, weder für ihn noch für mich“, schiebt sie ein. „Und jetzt habe ich auch noch die ’Ndrangheta im Nacken. Also gut, Papa, ich gebe auf. Ich werde gleich nachher mit dem Sender reden und ihnen meinen Entschluss mitteilen.“
    Nach diesen Worten sitzen sie da. Erschöpft. Die morgendliche Kühle dringt zu ihnen durch. Nach einer Weile meint er: „Glaub mir, es ist besser so. Ich weiß, es fällt dir schwer, du hast den Sturkopf von deiner Mutter geerbt. Zum Glück auch die italienische Leichtigkeit, die es dir erlaubt, dich anzupassen, ohne dich zu verbiegen.“
    Claudia umarmt ihren Vater voller Rührung. Tränen schleichen sich in ihre Augen. Mein Gott, ich habe aber zurzeit wirklich nah am Wasser gebaut, denkt sie, als sie aus dem Fahrzeug klettern und wieder in die Halle marschieren. „Dio, es ist spät geworden, grüß Mama von mir“, verabschiedet sie sich kurze Zeit später und eilt los, um so rasch wie möglich die gekauften Waren einzusammeln.
    „Ihr Rückgeld, Claudia. Na, schon mit den Gedanken beim Wettbewerb? Das Blatt wendet sich, wird wohl nichts werden. Na ja, Wurst passt auch besser zur Wiesn als Pizza, oder?“ spottet ein Großhändler. Sie nickt und lächelt ein wenig gequält. Ab und an flucht sie, weil sie mit ihrer Sackkarre nicht schnell genug weiterkommt, weil ein anderer Einkäufer den Weg versperrt oder sie gezwungen ist zu warten, bis ein Gabelstapler mit dem Rangieren fertig geworden ist. Fast ist sie versucht, den Zeitungsstand links liegen zu lassen, dann jedoch greift sie sich von jeder Ausgabe eine und packt sie oben auf den Einkauf. Besser sie weiß, woher der Wind weht, bevor sie den Sender verständigt.
    Im Restaurant angekommen, zwingt sie sich, die Waren sorgfältig zu verstauen. Ein Blick zur Uhr überzeugt sie, dass es für den Anruf beim Sender noch zu früh ist, und sie macht sich einen Cappuccino. Die Druckerzeugnisse vor sich auf dem Tisch, daneben der Kaffee, sitzt sie im leeren Gastraum. Es riecht ein wenig nach abgestandenem Wein und nach Bergamottewasser, das sie in das Wischwasser spritzen lässt.
    „Mafiosi-Braut Claudia gehört nicht auf unsere Wiesn“, liest sie gleich als Erstes, und das ist noch der charmanteste Aufmacher.

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