Tatort Oktoberfest (German Edition)
jetzt, der Tatort ist die BMW-Welt – in die Brauerei zur Hackerbrücke transportieren, es sei denn, sie hatte Helfer. Luigi Rezzo wog über achtzig Kilo. Der Wagen, mit dem die Leiche transportiert wurde, ist noch nicht gefunden worden.
Die Fioretti könnte ebenso ein Motiv haben. Vielleicht hat Luigi sie erpresst? Er hätte ihrem Image schaden können, wenn er ihr Verhältnis rausposaunt hätte. Mit der Aufschrift auf dem Schild macht sie sich selbst zur Zielscheibe. Könnte ein besonders geschickter Schachzug sein. Aber es wäre schwierig für sie gewesen, ganz unerkannt und unbemerkt beim Empfang ihres Konkurrenten aufzutauchen, und auch sie kann den Transport nicht allein bewältigt haben. Also eher unwahrscheinlich. Vermuten wir mal, dass irgendwelche Rechten, die sich von der Fioretti in der bayrischen Seele verraten fühlen, schuld sind. Aber wo sind sie? Wir haben die einschlägigen Kreise bereits überprüfen lassen. Es ist nichts durchgesickert. Wir tappen im Dunkeln. Meine Angst ist eher, dass es eine Warnung sein soll und Schlimmeres ankündigt. Das Oktoberfest muss sauber bleiben. Aber nicht in dem Sinne, wie diese Herrschaften es wollen, die vor einem Mord nicht zurückschrecken.“
Di Flavio nickt. „Vielleicht kommt bei meinen Recherchen etwas raus. Wie wollen wir weiter vorgehen?“
Das Telefon läutet, Wimmer bellt seinen Namen und sagt: „Ja? In einer halben Stunde, gut.“ Er legt den Hörer zur Seite. „Die Fioretti und der Junge sind mit ihrem Anwalt im Anmarsch. Wenn wir jetzt noch Ochshammer einbestellen, können wir den Wiesn-Wettbewerb gleich hier veranstalten.“
Mittwoch – während der Wiesn
Claudias Wecker klingelt, wie an normalen Tagen üblich, sehr früh. Sie öffnet das Fenster und hört den Vögeln eine Weile bei ihrer Morgenunterhaltung zu. Die Luft riecht nach Erde und Regen, und ein paar herbstliche Nebelfetzen hängen träge in den Büschen. Etwas schwer vom Schlaf und noch unkoordiniert, lehnt sie sich auf den Fenstersims und atmet tief ein und aus. Sie möchte lächeln, doch nach und nach schleicht sich das Wissen um den Tod von Luigi und die schlechten Pressestimmen in ihr Bewusstsein zurück – obgleich sie erstaunt, dass anstelle von Wut und Ärger Trauer über den Verlust des Freundes getreten ist. Leben und Sterben. Der Sommer wird abgelöst vom Herbst, alles hat seine Zeit. War Luigi der frühe Abschied bestimmt? Wer weiß. Auf jeden Fall ist er unabänderlich.
Die Unterredung im Polizeipräsidium war unproblematisch verlaufen. Auch das Verhältnis zu Luigi ist zur Sprache gekommen, und sie hat nichts verschwiegen. Nur die Fragen nach ihrem Vater und seinen Verbindungen beunruhigen sie. Sie nimmt sich vor, ihn nachher darauf anzusprechen. Bestimmt findet sie ihn in der Großmarkthalle.
Rasch streift sie ihre Jeans und einen Pulli über, spült sich den Mund aus, wuschelt die Haare zurecht, fährt mit einem Labello über die Lippen, greift sich ihre Handtasche mit den Wagenschlüsseln und schlüpft aus dem Haus. Im Auto schaltet sie Radio Arabella auf volle Lautstärke und schmettert lautstark die Oldies mit, während sie durch die noch ruhigen Münchner Straßen kurvt.
Im Gegensatz dazu herrscht in der Großmarkthalle rege Betriebsamkeit. Sie winkt hier und dort, schickt ein „Grüß Gott“ oder ein „Ciao“ hinüber und fragt: „Habt ihr meinen Vater gesehen? War er schon hier?“ Viele Sprachen schwirren durcheinander. Sie greift da eine Stange Mangold und dort ein paar Austernpilze, führt sie an die Nase, fragt: „Wie viel?“ handelt, bis sie einlenkt. „Mhm, ja, legen Sie mir einen Karton zur Seite, ich komme gleich und hole ihn ab.“ Bei den Fischständen entdeckt sie den bereits mit viel Grau durchzogenen, dunklen, vollen Haarschopf ihres Vaters, die breiten, etwas nach vorn hängenden Schultern und den kräftigen Nacken, die ein hochgeschlagener Mantelkragen ziert. „Hallo Papa“, begrüßt sie ihn, indem sie ihre Arme von hinten um ihn schlingt.
Er lächelt, als er sich umdreht. „Una bella giornata, come stai?“
„Cosi cosi, grazie. Können wir irgendwo einen Espresso trinken?“ Claudia hakt sich bei ihrem Vater unter. Immer wieder erstaunt es sie, dass er nicht viel größer ist als sie, obschon er wesentlich größer wirkt. Als sie an einem Bistrotisch stehen, kommt sie nach ein paar einleitenden Redeschleifen zur Schilderung des Polizeiintermezzos. Sein Kommentar fällt wie erwartet vorwurfsvoll aus und endet erneut mit den
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