Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten
Das schwarze T-Shirt klebte ihm am Leib, obwohl die alte Ölheizung die Zimmertemperatur auf maximal 18 Grad brachte, im Winter kaum auf 15. Dennoch schwitzte er wie im Hochsommer. Er schwitzte vor Scham und Angst.
Heute hätte der entscheidende Tag sein sollen. Der Tag der Befreiung. Heute hatte er Morten sagen wollen, dass er sich einen anderen Handlanger suchen sollte. Dass er, Petter, nicht mehr gewillt war, wegen des schnellen Gelds, das die Einbrüche versprachen, seine Zukunft aufs Spiel zu setzen. Sie waren längst quitt, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Er wollte mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben.
All das hatte er sagen wollen und es dann doch nicht gesagt. Er hatte es nicht übers Herz gebracht. Falsch! Er hatte die Hosen voll gehabt. Hatte sich einschüchtern lassen, wie ein kleiner Knirps, der Angst hatte, vom großen Nachbarsjungen eins aufs Maul zu bekommen.
Und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, schien es, als wüsste Morten die ganze Zeit, was in seinem Kopf gerade vor sich ging. Morten hatte ihn mit seinem Röntgenblick durchleuchtet. Hatte ihm ins Herz geschaut. Das war es, was Petter am meisten deprimierte und ihm den Schweiß auf die Stirn trieb. Dass sein Widerstand im Keim erstickt worden war.
Morten hatte den Spieß einfach umgedreht.
»Petter, Petter«, hatte er mit müdem Lächeln gesagt und den Kopf geschüttelt, doch es hatte wie »Nimm dich in Acht!« geklungen. »Da sind wir drauf und dran, das berühmteste Einbrecherpaar seit Bonnie und Clyde zu werden, und du ziehst hier so ein Gesicht. Hab ich nicht immer alles perfekt vorbereitet? Mich um jede Kleinigkeit gekümmert? Dir die Früchte unserer Arbeit auf dem Silbertablett serviert?«
Petter hatte es vermieden, seinem Komplizen in die Augen zu sehen.
»Ich sag dir was, Bruder. Du hast dich hier bei mir ins gemachte Bett gelegt. Denn von dem wirklich anstrengenden Teil des Jobs kriegst du ja gar nichts mit. Oder glaubst du etwa, das Zeug verkauft sich von allein. Glaubst du das?«
Morten war ganz nah an ihn herangetreten, sodass er dessen schlechten Atem riechen konnte.
»Nein, natürlich nicht«, hatte Petter kleinlaut geantwortet.
»Na siehst du. Die Brüche selbst sind doch das reinste Kinderspiel. Aus allem anderen halte ich dich raus – aus reiner Gutmütigkeit, weil du mein Kumpel und mein Bruder bist. Ist für mich Ehrensache.« Morten breitete die Arme aus, um seine enorme Großzügigkeit zu demonstrieren. Dann dachte er einen Augenblick nach und warf Petter einen verschmitzten Blick zu. »Und heute, Petter, heute ist dein absoluter Glückstag. Heute ist für dich Weihnachten und Geburtstag zusammen, und weißt du, warum?« Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern sprach sofort weiter: »Weil ich dir ab heute sämtliche Schulden erlasse! Na, was sagst du?«
»Das, äh, ist natürlich … toll«, stammelte Petter.
»Toll?« Morten starrte ihn an, als hätte er sich verhört. »Das ist megaoberaffenhammergeil, Mensch!« Mortens Stimme war mächtig angeschwollen; das letzte Wort hatte er förmlich herausgeschrien. Dann schüttelte er wieder den Kopf, als wundere er sich über die Begriffsstutzigkeit eines minderbemittelten Kindes.
»Petter, Petter, so ein kluges Kerlchen und manchmal so eine lange Leitung. Das bedeutet, dass du ab sofort in der Gewinnzone bist! Ab heute fließt die ganze Kohle direkt in deine Tasche, Alter, und ich sag dir was: Schon bald wirst du gar nicht mehr wissen, wohin damit. Du kannst deine Badewanne mit dem Zaster füllen und darin planschen wie Onkel Dagobert. Na, wie würde dir das gefallen?« Morten schaute ihn strahlend an.
Petter wusste nicht, was er an Morten mehr hasste, seine unterschwelligen Drohungen oder sein miserables Schauspieltalent.
»Also entweder bin ich taub oder dir hat jemand den Ton abgedreht. Ob dir das gefallen würde, hab ich gefragt!«
Mortens Stimme hatte sich blitzschnell verändert. Eben noch honigsüß, nun eiskalt.
»Ja … natürlich.« Petters Stimme zitterte leicht.
»Na also. So gefällst du mir schon besser!« Morten kam auf ihn zu und drückte ihn für eine Sekunde so hart an sich, dass Petter die Luft wegblieb. Dann stieß er ihn weg wie eine ausgequetschte Zitrone.
»Und ehe wir anfangen, uns zu langweilen«, fuhr Morten fort, »werden wir es demnächst mit einem brandneuen Trick probieren.«
»Einem neuen Trick?«, fragte Petter immer noch keuchend.
»Eine Weltsensation! Das wird einer der besten Brüche, die
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