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Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten

Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten

Titel: Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knut Krueger
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mit nagelneuen Saxofon-Blättchen aus der Tasche und überreichte sie Lukas: Rico Royal, Stärke 2,5. Die hatte er auch in München immer benutzt.
    Lukas strahlte. »Danke, Mama!«
    Franziskas Miene verfinsterte sich. Hatten sich denn alle gegen sie verschworen? Sie wusste nur eins: Sie würde sich nicht erpressen lassen. Sollten ihre berechnende Mutter und ihr verräterischer Bruder doch nach München fahren und Leif gleich mitnehmen. Sie würde lieber hier oben bei den Elchen bleiben, als das Opfer einer so hundsgemeinen Erpressung zu werden.
    Wenn in dieser Familie kein Platz mehr für sie war, dachte sie, konnte sie sich ja von Ohlsens adoptieren lassen. Das waren nette und verständnisvolle Leute. Und die Nähe zu Alexander wäre auch nicht zu verachten.
    Dass ihre Mutter klammheimlich Erkundigungen einzog, war so typisch für sie. Alle wichtigen Entschlüsse fasste sie stets im stillen Kämmerlein und stellte ihre Kinder später vor vollendete Tatsachen. Die waren es ja offenbar nicht wert, dass man sie vorher mal nach ihrer Meinung fragte. Heimlich, still und leise hatte sie damals diese ganze Oslo-Geschichte eingefädelt und jetzt hinter ihrem Rücken Saxofonlehrer und Basketballteams organisisert. Wahrscheinlich liefen auch schon die Vorbereitungen zur Hochzeit mit Leif. Franziska konnte nichts mehr ausschließen.
    Sollte sie je Kinder haben, das schwor sie sich, würde sie deren Willen stets ernst nehmen und über alles mit ihnen reden.
    Lukas rümpfte die Nase. »Was riecht hier denn so?«
    »Oh nein!« Claudia lief in die Küche und riss den Topf zur Seite, aus dem ein beißender Gestank aufstieg. Neuer Rekord, dachte Franziska. So schnell war der Milchreis noch nie angebrannt. Vielleicht sollte sie ihrer Mutter auch mal eine Bedingung stellen: Franziska würde sich nur einem Basketballteam anschließen, wenn ihre Mutter versprach, einen Kochkurs zu belegen – was sie ohnehin tun sollte, wenn sie bei ihrem norwegischen Dschungelkönig auch weiterhin als »fantastische Köchin« gelten wollte.
    Claudia pfefferte den Topf frustriert in die Spüle. »Kommt, wir gehen Pizza essen.«

Kapitel 17
    Lukas’ Versuche, sich wieder mit seinem Saxofon vertraut zu machen, waren ein voller Erfolg. Schon am nächsten Tag fanden sie einen Zettel in ihrem Briefkasten vor, auf dem stand:
    Liebe Nachbarn,
    wenn Sie mal wieder vorhaben, in Ihrer Wohnung ein Schwein zu schlachten, dann sagen Sie uns bitte vorher Bescheid. Dann hätten wir zumindest die Möglichkeit, rechtzeitig das Haus zu verlassen oder uns Watte in die Ohren zu stopfen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Familie Kvalheim
    Die »Familie« Kvalheim war ein älteres Ehepaar, das direkt unter ihnen im zweiten Stock wohnte. Leider waren die Kvalheims, von kurzen Einkäufen abgesehen, immer zu Hause, was ihnen hinreichend Gelegenheit gab, allen Personen in ihrer Umgebung mit ihren ständigen Klagen auf die Nerven zu gehen. So beschwerten sie sich abwechselnd über »widerwärtigen« Schmutz im Treppenhaus, »ekelhafte« Gerüche, die angeblich aus der Wohnungstür der afghanischen Familie im Erdgeschoss drangen, »unerträgliches« Getrampel auf der Treppe oder »nicht hinnehmbares« Plärren von Kindern auf der Straße.
    Auch das Wetter schien ihnen zu jeder Jahreszeit das Leben zu vergällen. Claudia konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie Herrn Kvalheim an einem lauen Sommerabend bei den Mülltonnen im Innenhof begegnet war. »Ist das nicht herrlich heute?«, hatte sie zu ihm gesagt, in der Hoffnung, ihn ein wenig aufzuheitern. Doch Kvalheim hatte sich mit gequälter Miene an den Hals gegriffen und gekrächzt: »Diese Hitze bringt mich noch um!« Dann hatte er auf dem Absatz kehrtgemacht und war davongewankt.
    Lukas ließ sich von den griesgrämigen Dauernörglern nicht am Üben hindern. Im Gegenteil. Sollten sie sich halt Watte in die Ohren stopfen oder endlich taub werden, wie es sich für Senioren gehörte. Bisher hatte er das Gefühl gehabt, sein Leben sei in zwei Teile zerfallen, eins vor und eins nach dem Umzug. Das Saxofon war der Beweis, dass sich die beiden Leben doch miteinander verbinden ließen. Es war wie eine Brücke in die Vergangenheit, die er nun jeden Tag betrat, indem er seine Tonleitern und Stücke übte.
    Jeden Samstagvormittag fuhr er jetzt mit dem Bus in den Stadtteil Grünerløkka zum Unterricht, der in der Kunsthochschule stattfand. Lukas staunte nicht schlecht, als er zum ersten Mal den riesigen Backsteinbau der ehemaligen

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