Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten
Alexanders Mutter noch zehn Gläser mit Kirschkompott aufdrängen lassen. »Wenn was übrig bleibt, verschenkt sie einfach«, hatte Katja zum Abschied gesagt. Die Herstellung von Kirschkompott war die große Leidenschaft ihrer Schwiegermutter. Bei jedem Besuch brachte sie weitere Einweckgläser mit, die inzwischen den halben Keller der Ohlsens in Beschlag nahmen.
»Und verwickel Leif ruhig in ein Gespräch, wenn er hier aufkreuzt«, ermunterte Franziska Alexander. »Bin echt gespannt, was du meinst.«
»Wird aber nicht einfach bei dem Trubel hier«, entgegnete Alexander, während er die letzten Bestellungen abarbeitete.
»Ach du Scheiße …«, murmelte sie.
»Was ist?«
»Da kommt er.«
Sie wies mit dem Kinn zur anderen Seite des Raumes. Alexander wusste sofort, wen sie meinte, als er einen drahtigen, braun gebrannten Mann mit dünnen zerzausten Haaren erblickte, der eine Sonnenbrille auf dem Kopf trug. Allerdings war er gar nicht so lässig angezogen, wie Franziska immer erzählte, sondern trug eine weiße Leinenhose, braune Slipper und ein marineblaues Sakko, das ihm mindestens eine Nummer zu klein war.
»Wo hat der denn das Spießeroutfit her?«, wunderte sich Franziska.
In diesem Moment trafen sich ihre Blicke. Leifs Gesicht platzte förmlich auseinander, so breit war sein Lächeln, als er federnden Schrittes auf sie zueilte.
»Hallo, Franziska!«, rief er schon von Weitem.
Hallo, Blödmann .
»Wo ist Mama?«, fragte Franziska.
»Ach, die hat irgendwelche Bekannten getroffen.«
Wahrscheinlich wollte sie dich so schnell wie möglich loswerden.
»Heftiges Outfit«, bemerkte Franziska süffisant.
»Tja, ich, äh …« Er lachte verlegen. »Ich dachte, ich mach mich mal ein bisschen chic.«
Wenn das chic ist, was ist dann geschmacklos?
»Ist dir echt gelungen. Das ist Alexander.« Sie zeigte beiläufig mit dem Daumen auf ihren Klassenkameraden. »Alexander, das ist Leif.«
Sie nickten sich zu.
Komm schon, Alex. Frag ihn was.
»Willst du eine Waffel?«, fragte Alexander.
»Lieber gleich zwei«, entgegnete Leif. »Habt ihr auch Schlagsahne?«
Fresssack!
»Nein«, antwortete Franziska kurz angebunden, legte zwei fertig gebackene Waffeln auf Pappteller, klatschte je einen Löffel Kirschkompott obendrauf und ließ ein wenig Puderzucker auf die roten Hügel schneien. »Macht acht Kronen.«
Tja, Leif, jetzt musst du halt mal selber zahlen.
Leif tastete mit beiden Händen sein Jackett und seine Hosentaschen ab. Dann schlug er sich demonstrativ die Hand vor die Stirn. »Jetzt hab ich Hornochse doch glatt mein Portemonnaie zu Hause liegen lassen.«
Das darf doch nicht wahr sein!
»Ich bring euch das Geld später vorbei.« Damit schnappte sich Leif die beiden Teller, machte auf dem Absatz kehrt und tauchte in der Menge unter.
Ich bring ihn um.
Franziska kochte vor Wut, riss ein Waffeleisen auf und schleuderte mit der Kelle so viel Teig hinein, dass die Hälfe über den Rand spritzte. »Der Nächste!«
Morgen bring ich ihn um.
»Lass mich das machen«, sagte Alexander, fasste sie an beiden Schultern und schob sie ein Stück zur Seite, damit sie sich beruhigen konnte.
Verflixt, jetzt ist der wieder weg und Alex hat sich kaum einen Eindruck von ihm verschaffen können.
»Das ist so typisch für ihn«, zeterte sie. »Ich wette, der hat gar kein Portemonnaie.«
In diesem Moment tauchte ihre Mutter am Stand auf. »Hallo, Franzi, hast du Leif gesehen?«
»Der hat gerade zwei Waffeln geklaut und ist damit weggelaufen«, antwortete sie gereizt.
»Wie bitte?« Claudias Brauen schossen nach oben.
Wieso überrascht dich das? Ist doch absolut typisch für ihn.
»Hab schon meinen Vater verständigt«, erklärte Alexander grinsend. »Der Dieb kann nicht weit sein.«
Volltreffer.
»Wahrscheinlich wollte er mir eine mitbringen«, mutmaßte Claudia.
Hahaha.
»Da würde ich nicht drauf setzen«, entgegnete Franziska spitz. »Kauf dir lieber eine eigene Waffel. Macht insgesamt zwölf Kronen.«
Claudia zog seufzend ihr Portemonnaie aus der Tasche und drückte ihrer Tochter eine Zwanzigkronenmünze in die Hand. »Stimmt so.«
Zum Dank bekam sie eine Waffel mit extra viel Kirschkompott. »Ich bin dann mal im Musikraum, Lukas hat schon angefangen.«
»Bis später, Mama.«
Lukas hatte sich von Håkon überreden lassen, kurzfristig eine Schülerband zu gründen, um für die musikalische Untermalung des Festes zu sorgen. Leider hatten sie nur drei Mal zusammen üben können, und so hielt sich das Trio, das
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