Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt
Drosseln.
Und genau hier nimmt auch der professionelle Vogelzähler seine Arbeit in Angriff. Er sitzt, möglichst bewegungslos und gerne auch in khakifarbener Tarnkleidung, auf irgendeinem Hochstand oder auch in einer Astgabel und wartet. Wenn dann eine Amsel auftaucht, dann macht er ein Kreuzchen hinter das Feld »Amsel«, und wenn ein Fink auftaucht … Ist klar jetzt, oder?
Natürlich besteht dabei die Gefahr, dass der Vogelzähler ein und dieselbe Amsel ein paar Mal zählt. Er sollte also ein gutes Auge haben, um auch kleinere Unterschiede zu erkennen, denn in erster Linie ist es seine Aufgabe, über den Populationsstand des jeweiligen Schutzgebietes Erkenntnisse zu gewinnen. Seine Auftraggeber wollen einfach wissen, wie viele Arten von Vögeln es im entsprechenden Areal gibt und wie viele Tiere es im Einzelnen sind. Wenn es darum geht, nur das Auftreten einer bestimmten Gattung zu dokumentieren, dann ist dies für den Vogelzähler meist ungefähr so spannend wie ein Interview von Johannes B. Kerner mit Carolin Reiber: Man sitzt stundenlang daneben, und es passiert rein gar nichts. Und selbst wenn man verschiedene Vögel registrieren darf und genügend ornithologische Vorkenntnisse mitbringt, sodass man Rufus den Mäusebussard mühelos von Axel dem Adler unterscheiden kann, ist der Unterhaltungsfaktor in diesem Job auch nicht höher als im Konferenzraum der Jungen Liberalen.
Auch unter dem Wetter leidet der Wohlfühlaspekt in diesem Beruf, denn entweder schwitzt man sich einen Wolf, friert wie ein Okapi auf Grönland oder wird mit nassem Landregen derart eingedeckt, dass man rund um Worpswede optisch glatt als Schilfgraseindeckungsteil eines der üblichen Künstlerhäuser durchgehen würde. Zu allem Überfluss ist der Job auch noch höchst mäßig bezahlt, denn die witterungserschwerte Ödnis wird im Schnitt gerade mal mit fünf Euro pro Stunde entlohnt.
Gefahr: * (Falls Sie nicht so klein sind, dass sie mit einer Maus verwechselt werden können, und falls die von Ihnen beobachteten Vögel niemals Hitchcock gesehen haben, sind Ihre Risiken sehr überschaubar. Nun gut – Sie könnten vom Baum fallen …)
Langeweile: **** (Mit der Zeit wird’s unendlich öde … und kommen Sie uns jetzt bloß nicht mit »frischer Luft«, »am Busen der Natur« oder ähnlichem Wortmüll.)
Seltenheit: ** (Vogelschutzorganisationen, Ornithologen oder auch die Aufseher von Vogelschutzgebieten haben diesen Job zuweilen zu vergeben. Allerdings nicht allzu häufig.)
Ekelfaktor: * (Könnte sein, dass der Vogelzähler es schafft, sich so unauffällig zu verhalten, dass Bruder Drossel keine Scheu hat, sich exakt über ihm zu entleeren. Das ist dann nicht sehr schön …)
Neidfaktor: ** (Frischluftfanatiker und Grzimek-Jünger fallen uns ein – sonst niemand, der einen Vogelzähler beneiden würde.)
Pizzawender
D as Leben eines durchschnittlichen Amerikaners ist heutzutage viel komplizierter, als wir uns das gemeinhin vorstellen. Dem Pionier in den seligen Zeiten der Landnahme genügte es, in einem vollgepackten Planwagen gen Westen zu fahren, zum Mittagsgebet anzuhalten, ein paar Bisons und dann noch schnell ein paar Indianer niederzumachen, einige Nuggets zu finden und riesige Städte in Erdbebengebieten zu errichten. Später kam das Tragen von Blumen im Haar und das Absingen lustiger Lieder hinzu. Der heutige Bewohner der Vereinigten Staaten hingegen hat praktisch ununterbrochen – und ohne Aussicht, je aus dieser Tretmühle entlassen zu werden – die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, zu konsumieren. Nur damit lässt sich der amerikanische Traum langfristig am Leben erhalten, nur der Konsum sorgt dafür, dass die angeblich stärkste Volkswirtschaft der Welt nicht ganz und gar in die Hände ewig lächelnder asiatischer Konkurrenten fällt.
Um aber richtig und konsequent konsumieren zu können, müssen bestimmte Grundvoraussetzungen gegeben sein: Erstens: Der Amerikaner darf durch eigenständiges Denken nicht zu sehr abgelenkt werden. Dafür wurden das 178-Kanäle-Fernsehen, Oprah Winfrey und eine Sportart namens Baseball erfunden, deren Regeln so sinnvoll sind wie der Versuch einer Besteigung der Eiger-Nordwand bei Dauerregen. Zweitens: Der Amerikaner braucht Nahrung, die ihn dazu animiert, immer mehr Nahrung zu konsumieren, ohne dass er dadurch vom weiteren Konsum anderer Dinge entscheidend abgelenkt wird. Dafür wurden Fast-Food-Ketten erfunden, die es gleich dem großen Houdini verstehen, aus Nichts eine
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